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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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gut! Mit ihr hatte ich ein paar verzweifelte Wochen meines verzweifelten Lebens in meinem verzweifelten Single-Experiment verbracht.
    Moritz.
    Im Geiste überschlug ich die Möglichkeiten. Ich lag im Bett. Meine Haare standen zu Berge, mein Atem war morgendlich umwerfend, und als wollte das Schicksal mir eine lange Nase machen, trug ich ausgerechnet heute den schlimmsten Schlafanzug von allen. Konrad war nicht da, da kramte ich die alten Buxen raus.
    Nicht dass es nötig gewesen wäre, gut auszusehen, immerhin wühlte Moritz mittlerweile in vollgepupsten Windeln, aber so ein kleines bisschen Selbstachtung blieb selbst mir erhalten, selbst im Halbschlaf, selbst um diese Uhrzeit und selbst angesichts eines frischgebackenen Kindsvaters, der zum ersten Mal seit Monaten wieder eine Frau im Spitzenhöschen sah (denn frischgebackene Kindsväter hatten keinen Sex, schon seit Monaten nicht mehr, das weiß ja jeder), oll und verwaschen zwar, aber immerhin noch mit der leisen Erinnerung an damals, als wir beide mal stramm saßen.
    Vielleicht könnte ich mich a) einfach hinter Tagalog verstecken.
    Tagalog, dem Zwerg.
    Ich verwarf die Idee. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob Tagalog mitspielen würde.
    Vielleicht sollte ich b) einfach aufstehen und Moritz einen schönen guten Morgen wünschen, dabei allerdings nicht in Richtung seines Gesichts sprechen, damit er meinen Morgenstund-Geruch-im-Mund-Atem nicht abbekam. (Ich frage mich ja seit Jahr und Tag, warum Menschen in Hollywoodfilmen direkt nach dem Wachwerden immer so hemmungslos rumknutschen. Hab nur ich das Problem? Oder einen schlechten Zahnarzt?)
    In Abwandlung dazu könnte ich c) auch einfach direkt in Moritz’ Gesicht hauchen und seine Leiche später am Tag mit Tagalogs Hilfe im Main versenken.
    Vielleicht sollte ich mich aber auch einfach d) totstellen. Diese Variante erschien mir aus der Situation heraus und in Anbetracht der eingeschränkten Mittel, die mir zur Verfügung standen, ziemlich attraktiv.
    » Juli?« Ach, Moritz. Immer noch so ungeduldig.
    » Hm?«, nuschelte ich unter meinem Kissen hervor.
    » Versuchst du, dich totzustellen?« Ich hasse dich. » Äh– können wir reden?«
    Klar. Setz dich, nimm dir ’nen Keks, ich leg gerade noch schnell die Tagesdecke auf, wenn’s recht ist.
    Ich sah Tagalog an, die immer noch vor meiner Bettseite stand und mich mit schiefem Kopf ansah.
    » Sino ang impyerno ay ang mga?«
    » Ja«, sagte ich, » eine herrliche Idee, Tagalog, setz doch schon mal einen Kaffee auf.«
    Wie durch ein Wunder schien Tagalog erstmals in unserer bisherigen kurzen gemeinsamen Zeit intuitiv zu verstehen, was ich von ihr wollte. Sie verkrümelte sich und zog Moritz unter originalphilippinischen Verwünschungen hinter sich her.
    Als die Luft rein war, hechtete ich ins Bad.
    Ich unterzog mich dem » Wie werde ich schön in zehn Minuten«-Programm, das die Frauenzeitschriften proklamierten, die in meinem Badezimmer verstreut lagen, machte Katzenwäsche und putzte mir die Zähne, während ich synchron versuchte, mein Gesicht zu restaurieren. Nach elf Minuten und dreiundzwanzig Sekunden flitzte ich ins Schlafzimmer zurück und quetschte mich in die Jeans, die schlank machte. Ob Moritz es seltsam finden würde, wenn ich hochhackig in die Küche spazierte? Während ich schätzungsweise einunddreißig T-Shirts verschiedenster Couleur und Bauch-weg-Fähigkeit anprobierte, dachte ich darüber nach, warum man vor seinem Exfreund eigentlich immer besonders gut aussehen wollte. Um ihm zu zeigen, was er nicht mehr hatte? Um zu beweisen, dass man sich nach der Trennung nicht vollkommen hatte gehen lassen?
    Als ich mich im Spiegel erblickte, beschloss ich die interne Diskussion mit offenem Ergebnis und entschied mich für das bequemste Oberteil. Wenn mein Unterleib schon schwere Quetschungen erleiden sollte, wollte ich obenrum wenigstens nicht den Bauch einziehen müssen. Außerdem war es ja » nur« Moritz.
    Ich ging in die Küche. Siebzehn Minuten und acht Sekunden. Neuer Hallenrekord.
    Da saß » nur«-Moritz und trank Kaffee. Aus seinem Becher. Seinem Moritz-Becher, den er damals bei unserem ersten gemeinsamen IKEA -Besuch käuflich erworben und als Unterpfand bei mir in der Wohnung gelassen hatte. Bis heute. Mein Herz sank mir in den Schlüpfer.
    » Hallo, Juli«, sagte Moritz und lächelte nett.
    » Hallo, Moritz«, sagte ich und lächelte auch.
    » Siguro baka kung ano ang tao na ito dito«, sagte Tagalog und lächelte nicht.
    Ich setzte mich Moritz

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