Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
Moment selbst nicht besser. Will ich nicht? Weiß ich, was ich will? Wusste ich jemals, was ich wollte? Oder will ich immer das, was ich nicht besser weiß? Nur eines, das weiß ich mit Sicherheit: Ich sollte wollen. Konrad, meinen Freund, den Mann, der die Wellen dressiert, die mein Leben umherschaukeln, der die Möwen verscheucht, die sich an Deck tummeln, der mir die Stellen zeigt, an denen ich den Anker werfen kann.
Aber ich will nicht. Jedenfalls nicht komplett und vollständig mein Boot an Land ziehen. Ich fühle mich wohl da draußen, ich bin keine Landratte. Ich will das nicht. Nicht dieses… bis dass der Tod uns scheidet. Nicht das. Das nicht.
Es gibt keine logischen Gründe dafür, ich habe keine Argumente, nur ein diffuses, seltsames Bauchgefühl, das sagt: Lass mal lieber.
Und nur weil Konrad will, muss ich doch nicht auch wollen. Oder? Muss ich mein Bauchgefühl von meinem Kopf überstimmen lassen? Und wo ist eigentlich mal wieder mein Herz?
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Na prima.
Oktober
Alles hat ein Ende
Jenseits der Stille
Samstag, 1 . Oktober, um 09 : 53 Uhr
Und überhaupt! Wer hat eigentlich gesagt, dass ich mich Konrads Lebensplanung unterwerfen muss? Hm? Ja? Höre ich dahinten ein Murren? Nein! Es gibt nämlich auch keinen Grund für lästerliches Rumgetuschel, denn am Ende des Tages ist es mein Leben, und mein Leben lebe ich so, wie ich das will, und nicht, wie der Herr Paulsen sich das vorstellt. So!
» Du kannst aber auch keine Kompromisse eingehen!«, meckerte meine Mutter, als ich sie anrief und mit ihr über Konrad herziehen wollte. Und für alle Zuschauer, die erst jetzt eingeschaltet haben: Das erste Tor ist bereits gefallen.
» Was soll das bitte sein, ein Kompromiss bei einem Heiratsantrag?«, giftete ich zurück. » Soll ich nur den halben Ring anstecken?« Ich lachte ironisch auf. » Ach, nein, halt warte, ein herzhaftes JEIN wäre wohl ein Kompromiss gewesen, mit dem Konrad hätte leben können, was?« Der Sarkasmus tropfte aus dem Telefonhörer direkt hinein in mein kaltes, vor Wut loderndes Herz.
» Was genau ist dein Problem, Juli?«
» Das weiße Kleid. Die Hochzeitstorte. Die Brautjungfern in lachsfarbenen Kleidern.«
» Na prima! Dann lass den ganzen Kram einfach weg. Ihr müsst ja auch gar nicht heiraten, Herrschaft, es reicht ja ein kleines Zeichen von dir, dass Konrad sieht, dass du es ernst meinst.«
» Ein Zeichen?«
» Eine Eigentumswohnung, ein Hund, ein Lebensplan, keine Ahnung, irgendwas, das ihm zeigt: Mit dir meine ich es ernst, mit dir will ich zusammenbleiben. Denn das willst du doch, oder?«
Ich denke nach. » Ja, ich glaube schon.«
» Wo«, und meine Mutter wird laut, » in aller Welt ist dann dein Problem?«
» Es ist nicht mein Traum. So habe ich mir das nicht vorgestellt!«
» Meinst du, ich habe mir immer alles genau so vorgestellt, wie es jetzt geworden ist?«
Na klasse, jetzt kommt die alte Leier. Trotzdem bin ich neugierig. Meine Mutter, die alles zu haben scheint, was man sich, wenn man die Hochglanzbroschüren der Hausfrauenindustrie ansieht, vorstellen kann, hatte also wirklich mal einen anderen Lebensplan gehabt? Fällt mir schwer zu glauben. Mütter sind… Mütter. Und meine ist meine. Hauptberuflich. Das wollte sie immer, jedenfalls hat sie mir immer das Gefühl gegeben, dass das alles war, was sie wollte.
» Was meinst du damit?«
» Ich wollte nie Kinder. Nie! Ich wollte frei sein, ungebunden«
Ich falle ihr ins Wort: » Du wolltest mich nicht?«
» Doch! Also: nein! Nein, so meine ich das nicht– ich wollte keine Kinder. Ich wollte Karriere machen. Und jetzt muss ich feststellen, dass es die absolut richtige Entscheidung– oder sagen wir: Fügung– war, dass ich keine Karriere gemacht, sondern dich bekommen habe.«
Das waren ja in der Tat mal Neuigkeiten. Meine Mutter wollte also einst lieber Karriere machen. Was man eben so Karriere nennt, als Grundschullehrerin. Und dann kam ich, und das mit der Karriere hat sie sich dann spontan anders überlegt. Unfreiwillig, einfach, weil ich da war. Das ist so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was ich vom Leben erwarte, denn ich will meine Entscheidungen selbstbestimmt treffen, freiwillig und nicht unter Zwang. Ich will kein Kind, weil ich gerade schwanger bin. Ich will nicht heiraten, nur weil ich einen Mann gefunden habe. Ich will so leben, wie ich es mir immer ausgemalt habe, selbst wenn ich den leisen Zweifel, der in mir aufkeimt, mit roher
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