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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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Bier an meinen Liebsten. Ich führe keinen Haushalt, in dem man vom Boden essen sollte, wenn man Angst vor ansteckenden Krankheiten hat. Einen Haushalt kann man meiner Meinung nach auch nur dann vorbildlich führen, wenn man wirklich keine anderen Hobbys hat. Aber Konrad… also, der spielt echt in einer anderen Liga.
    Heute Morgen, als ich wieder einmal stöhnend und (liebevoll) fluchend den Klamottenberg im Schlafzimmer zur Seite räume, purzelt mir ein kleines Päckchen, das zwischen den Kleidern gelegen hat, vor die Füße. Heureka! Ich hebe es auf und betrachte es genauer. Das Päckchen ist rechteckig, ungefähr dreißig Zentimeter lang und zehn Zentimeter breit, in ästhetisch problematisches silberfarbenes Glitzerpapier eingepackt und mit einer sehr großen und sehr hässlichen pinkfarbenen Schleife umbunden. Ich schüttele es (keine charakteristischen Geräusche), rieche daran (keine charakteristischen Gerüche, demnach nichts Essbares) und begutachte die Verpackungsmethode auf der Suche nach einer Möglichkeit, das Glitzerpapier unauffällig zu entfernen und das Geschenk zu öffnen. Denn eines ist klar: Ich halte Konrads Weihnachtsgeschenk für mich in den Händen, und natürlich muss ich es postwendend öffnen. Nicht unbedingt, um zu erfahren, was Konrad mir zu Weihnachten schenkt, sondern vor allem, um mein Geschenk finanzpolitisch auf seines abzustimmen. Nichts ist peinlicher als ein– zwar mit Liebe und Sorgfalt ausgesuchtes, aber dennoch popliges– Taschenbuch für 8,99, wenn der andere dir eine Reise auf die Fidschi-Inseln schenkt.
    Eine Fernreise werde ich von Konrad wohl noch nicht bekommen. Na ja, vielleicht nächstes Jahr. Konrad verdient gut, genau genommen sehr gut (alles, was mehr ist, als das, was ich verdiene, ist fantastisch!), dahingehend muss ich mir also keine Sorgen machen. Zum Glück gibt es gleich zwei Gelegenheiten im Jahr, an denen man schicke Dinge geschenkt bekommen kann. Drei, wenn man den Jahrestag dazunimmt, und wenn ich es genau bedenke, sollten wir ab jetzt auch den Valentinstag feiern. Natürlich mit Sachpreisen. Da brechen ja goldene Zeiten für mich an!
    Vorfreudig wende ich mich dem Gegenstand in meiner Hand zu. Das Format des Päckchens kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich untersuche die pinkfarbene Schleife und mich befällt kurz, aber nur ganz kurz der Verdacht, dass Konrad mir eine Barbiepuppe schenken will.
    Als ich die Schleife anhebe und einen kleinen Aufkleber entdecke, bin ich erleichtert. Juwelier Schumacher steht da. Doch keine Barbie…
    Moment mal.
    Ich trage keinen Schmuck. Nie. Keine Ohrringe, keine Halsketten, keine Ringe. Ich weiß nicht, warum das so ist, und ich habe bereits zahlreiche Versuche unternommen, mein Desinteresse gegenüber allerlei Gehänge zu überwinden, aber bisher war einfach nie das Richtige dabei.
    Vielleicht ja jetzt! Die Vorfreude kehrt zurück. Konrad kennt mich seit Jahren. Natürlich weiß er, dass ich mir aus Gold, Juwelen und Edelsteinen nichts mache (es sei denn, man kann sie später auf eBay verticken), aber womöglich hat er dieses wunderbare Brillantcollier im Schaufenster des teuersten Juweliers der Stadt gesehen und sich gedacht: Das gehört an den schwanengleichen Hals meiner Juli!
    Ich beginne vorsichtig, den Tesafilm vom Glitzerpapier zu pfriemeln. Bloß keine Spuren hinterlassen!
    Nach gefühlten anderthalb Stunden habe ich es geschafft und wickele ein samtenes Schmuckkästchen aus dem silbernen Inferno. Noch einmal kurz schütteln– hach, klingt gut! Klingt teuer!
    Ich drücke den kleinen Verschlussmechanismus, das Schmuckkästchen macht ein zufriedenes Plopp, und ich werde ganz kribbelig. Howard Carter kann bei der Graböffnung des Tutenchamun nicht aufgeregter gewesen sein!
    Langsam öffne ich den Deckel des Schmuckkästchens.
    Und erstarre.
    Für einen ganz kurzen Moment setzt mein Herzschlag aus. Dann fängt er in unregelmäßigen Bahnen das wilde Gehoppel an. Frau Nachbarin, Euer Fläschchen! Wo ist das Riechsalz, wenn man mal welches braucht?
    Glücklicherweise ist die Bettkante ganz in der Nähe, sodass ich mich voller Entsetzen langsam darauf niederlassen kann.
    In meinen Händen halte ich, eingebettet in einen Albtraum aus pinkfarbenem Satin, die hässlichste, nein, die ALLER hässlichste Kette, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.
    Jetzt hätte ich doch lieber die Barbie.
    Ich trau mich gar nicht, dieses Schmuckstück des Grauens anzufassen.
    Die Kette ist so… so… abgrundtief, weltenverachtend

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