Ich schenk mir taeglich rote Rosen
»Wofür, glauben Sie, stehen wir hier an? Für ein Schrottwagenrennen?«
Einen solchen Gesichtsausdruck hatte ich bisher nur im Kino gesehen und mir geschworen, ihn nie wieder zu vergessen: als Rod Steiger den Pontius Pilatus spielte und Jesus von Nazareth verurteilte.
»Keine Angst«, lächelte ich, »ich brauche nicht den ganzen Service, ich bin Selbsttanker.«
Daraufhin drohte er, er würde Kleinholz aus mir machen.
Also nahm ich meinen Platz am Ende der Schlange ein und spielte mit anderen Wartenden das Kühlerspiel. (Jeder warf einen Vierteldollar in einen Topf. Der, dessen Kühler als erstes kochte, bekam das ganze Geld.)
Als ich ein paar Stunden später die Zapfsäule erreichte, stand dort ein Knilch mit einer Liste und fragte: »Wann waren Sie bestellt? Oder sind Sie Stammkunde?«
»Stammkunde wofür?« fragte ich.
»Für unser Benzin.«
»Wollen Sie mich verkohlen?«
»Nein. Wir nehmen nur eine gewisse Anzahl von Voranmeldungen täglich an. Das Benzin ist knapp, verstehen Sie.«
»Ich sage Ihnen was: Wenn Sie meinen Tank vollmachen, schenke ich Ihnen ein
komplettes Frühstücksgeschirr, Dessertteller, Brotbrettchen, Tasse und Untertasse mit dem beliebten Ährenmuster.«
Er ließ die Liste sinken und bohrte sich mit einem Streichholzheftchen zwischen den Zähnen.
»Moment noch: Wenn Sie 40 Liter einfüllen, gebe ich Ihnen eine Styropor-Kühltasche und einen Satz Gläser mit den Porträts der Baseballhelden der vierziger Jahre – inklusive Autogramm.«
Als er sich kopfschüttelnd entfernte, schrie ich ihm nach:
»Und wie war’s mit einer Regenkapuze im handlichen Reiseetui und Luftballons für Ihre Kinder?«
Zum Glück hatte ich gerade noch genügend Sprit, um heimzukommen. Ich hatte drei Stunden für nichts und wieder nichts vertan. Es war unglaublich. Es gab keine Ordnung mehr auf der Welt. Früher lautete der Fahrplan: Donnerstags die Kosmetikerin, alle sechs Monate zum Zahnarzt, einmal jährlich zum Gynäkologen, alle drei Monate zum pädagogischen Berater meines Sohnes, alle fünf Wochen die Avon-Vertreterin, jeden Mittwoch den Mülleimer heraus, alle drei Stunden zum Supermarkt. Und jetzt? Jetzt war ich gezwungen, jeden ungeraden Tag alle zwei Wochen um halb vier nachmittags an der Tankstelle zu tanken, Öl zu wechseln, Reifendruck zu messen, außer wenn der Monat fünf Wochen hatte.
Kein Wunder, daß mein Mann mir den Wagen zum Warten überließ, diese Art des Wartens war ja tatsächlich eine Vollbeschäftigung.
Viele meiner Freundinnen sprachen vom Energie-Engpaß und wie stark er in ihr Leben eingriffe. Am intensivsten wirkte sich das Problem der Energiekrise bei der Frage aus, wie weit man heuer im Urlaub reisen konnte. Laut BILLIGER LEBEN gab es auch dafür die Lösung: einen wunderschönen Urlaub zu Hause.
Man stelle sich das doch nur vor: nicht 138 verschiedene, lebenswichtige Dinge abbestellen bzw. abstellen. Den Nachbarn keine Anweisungen hinterlassen müssen. Kein Gedränge der Familie im Wagen beim Start zum Moskito-See oder nach Knöchelbruchhausen in Texas oder sonstwo! Kein verknurrter Ehemann, der nur 15 km am Tag schafft. Keine verknurrten Kinder, die sich gegenseitig mit den Knien im Wege sind. Keine verknurrte Mutter, die nichts vor sich sieht als eine Tasche voller Kleingeld für den Waschautomaten des Campingplatzes.
Mein Mann zeigte sich sehr mißtrauisch gegen derartige Daheimferien. Mein Sohn war schlicht sauer. Ich sagte zu ihm: »Wie war’s denn mal mit einem Urlaub in fabelhaftem Klima, mit zwei Kochherden, gutem Essen, einem Einzelzimmer für jeden, Fernsehmöglichkeit, Toilette innerhalb des Hauses? Ganz in der Nähe von Schwimm-und Einkaufsmöglichkeiten und deinen sämtlichen guten Bekannten?«
»Nö, klingt zu sehr nach zu Hause«, murrte er.
»Wir wollen es als eine Art Disneyland sehen«, meinte ich fröhlich. »Die Küche ist Abenteuerland, die Waschküche Frontland, die Garage Zukunftsland, das Badezimmer Hauptverkehrsstraße und das Schlafzimmer Traumallee. Außerdem …«, setzte ich noch hinzu,
»könnten wir eine Menge kleinerer Touren machen und unseren Staat erforschen. Und uns zum erstenmal alle gegenseitig kennenlernen, ganz entspannt, statt immer nur in gestreßten Situationen aufeinanderzuprallen. Und denk immer an das viele Geld, das wir auf diese Weise sparen.«
Am ersten Ferientag hatte ich für meinen Mann eine Liste mit ein paar Kleinigkeiten, die im Haushalt zu erledigen waren, die er immer wieder aufgeschoben hatte. Dazu
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