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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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unerschütterlicher Eintracht nebeneinander übers Wasser
glitten.
    »Siehst du die Schwäne? Sie sind ein Paar. Sie sind monogam,
sie halten zusammen, ein Leben lang. Sie würden füreinander kämpfen.
Jederzeit. Und wenn es sein muss, sterben sie auch füreinander.«
    Schweigend schauten Anton und Flora hinaus auf den Teich, und
unabhängig voneinander dachten sie beide, wie wunderbar es doch sein
müsste, ein Schwan zu sein.

In
der Höhle des Löwen
    D ie beschauliche Stimmung hielt nicht lange
vor. Sie warteten bis zum Einsetzen der Dämmerung, und sobald sie
sicher sein konnten, dass kaum noch Leute im Park unterwegs waren,
brachen sie auf, mit der vagen Vorstellung, im Schutze der kommenden
Nacht Anita und Tobias aus dem Bett zu klingeln und abermals um Hilfe
zu bitten. Was blieb ihnen auch übrig, nachdem sie buchstäblich nichts
mehr besaßen außer der Kleidung, die sie auf dem Leib trugen? Sie
hatten bei ihrer überstürzten Flucht aus der Kanzlei nur Floras kleine
Umhängetasche mitnehmen können, in der sich ihre beiden wichtigsten
Besitztümer befanden, die sie immer bei sich trug und die sie wie
Kleinodien hütete: ihre Romandiskette und ihr Mütterpass.
    Sonst war nicht viel drin. Ein Kamm, ein bisschen Schminkzeug,
das Ultraschallfoto, die Tabletten. Und ein bisschen Kleingeld, das
aber höchstens noch für eine Tüte Bonbons und zum Telefonieren reichte.
    Anton und Flora wichen den wenigen Spaziergängern aus, die
noch unterwegs waren. Sie schlugen sich durch die Büsche, um schneller
zur Straße zu kommen. Anton ging in sichtlich gereizter Stimmung voran
und schob Zweige zur Seite. Er fluchte, als er mit dem Hemd an einem
dornenbewehrten Strauch hängen blieb, und kurz darauf schlug er sich
mit der flachen Hand klatschend gegen den Hals, weil eine Mücke ihn
gestochen hatte.
    Flora wich den zurückschnellenden Zweigen aus und stolperte
hinter ihm her, wobei sie sich fragte, ob das ab und zu auftretende
leise Ziehen im Kreuz vom Stress herrührte.
    »Wohin gehen wir eigentlich?«, wollte sie wissen. »Ich meine,
wo bleiben wir, bis es Nacht wird?«
    »Keine Ahnung. Wir wollten es doch auf uns zukommen lassen,
oder?« Die Ironie in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Wir haben
kein Geld, keine Papiere, keinen Wagen, kein Garnichts. Wir werden
steckbrieflich von der Polizei und von allen Medien des Landes gesucht.
Doch was macht das schon? Lass uns einfach abwarten, was das Leben an
Überraschungen für uns bereithält. Spontan sein, das ist doch deine
Devise, oder?«
    Anton hob einen Stock auf und schlug damit auf einen Ilexbusch
ein, bis die gezackten Blätter nach allen Seiten davonflogen. Als das
unbefriedigend wurde, schleuderte er den Stock zur Seite und setzte
sein zerstörerisches Werk mit Fußtritten gegen den unschuldigen Busch
fort.
    »Es hat sowieso keinen Sinn, sich gegen den Lauf der Dinge zu
sträuben«, stieß er im Takt seiner Tritte hervor. »Du hattest ganz
Recht. Je mehr man sich wehrt, umso schlimmer wird es.«
    Da es hinter ihm auffällig still blieb, drehte er sich um.
Flora war nicht da.
    »Flora?«, fragte er verblüfft, und dann lauter: »Flora!«
    Es war, als sei sie nie da gewesen. Sie war spurlos
verschwunden.
    Beunruhigt tat Anton einen Schritt zurück in die Richtung, aus
der sie gekommen waren. Von ihr war weit und breit nichts zu sehen. Den
Totschläger, der auf seinen Nacken zusauste, sah er auch nicht, und
ebenso wenig fühlte er den Schmerz, als von allen Seiten her Dunkelheit
auf ihn einbrandete.
    Ihm war übel, als er wieder zu sich kam, und
in seinem Kopf dröhnte und hämmerte es wie in einem Walzwerk.
Aufstöhnend wollte er an die schmerzende Stelle fassen, doch es ging
nicht. Seine Hände ließen sich nicht bewegen. Was war mit seinen Händen
passiert? So sehr er auch zerrte, sie wollten sich nicht nach vorn
bringen lassen. Und er hatte Schwierigkeiten mit dem Atmen. Luft bekam
er nur durch die Nase. Irgendetwas mit fester, klebriger Konsistenz
hinderte ihn, den Mund für einen tiefen Atemzug zu öffnen. Jetzt erst
begriff er, dass hier etwas nicht stimmte. Seine Hände waren auf dem
Rücken gefesselt, und zwar mit Handschellen, wie an dem kalten Stahl
auf der Haut unschwer zu erkennen war. Und über seinem Mund klebte ein
breiter Streifen von widerlich schmeckendem Leukoplast.
    Als Nächstes bemerkte er, dass er auf dem Rücksitz eines
fahrenden Autos saß und durchs Seitenfenster auf eine schwach befahrene
Landstraße hinausschaute. Ihm wurde klar,

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