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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Ellenbogen und harten Absätzen erbittert seinen Platz im
Getümmel, sorgsam darauf bedacht, immer im Bild zu bleiben. »Wie wir
soeben erfahren konnten«, sagte er mit breitem Lächeln in die Kamera,
laut, um das Stimmengewirr zu übertönen, »hat das Gericht in dieser
Minute das Urteil verkündet. Jeden Moment erwarten wir also …«
    Seine nächsten Worte hörte niemand mehr, denn die Doppeltür
zum Gerichtssaal wurde aufgestoßen, und Ziggy erschien. Ohne
Handschellen, die Arme nach oben gereckt. Ein freier Mann. Sein rechtes
Auge zuckte wie verrückt, und er grinste wölfisch ins einsetzende
Blitzlichtgewitter. Rechts und links an ihm klebten Nadine und Janine.
Wie auf Kommando lächelten sie direkt in die Kameras, unauffällig an
Frisur und Kleidung zupfend.
    Der Chauffeur und der Buchhalter erschienen hinter dem Trio
und verdrückten sich eilig, als sie sich unversehens im Brennpunkt der
Aufmerksamkeit wiederfanden. Sie machten Anton Platz, der erschöpft,
aber glücklich wirkte, als er in den Gang hinaustrat.
    »Freispruch!«, schrie Schartenbrink ihn an und hielt ihm das
Mikro vor den Mund.
    Anton zuckte beim Anblick des bananengelben Dings erschrocken
zusammen, nickte dann aber ungläubig lächelnd in die Kamera. »Ja, es
ist uns in der Tat gelungen, das Verfahren zu einem überaus
erfreulichen Abschluss …«
    Er konnte den Satz nicht beenden, weil Ziggy ihn bei beiden
Ohren packte und ihn mitten auf den Mund küsste.
    Nach dieser rüden Zärtlichkeit schienen alle und jeder mit ihm
Körperkontakt aufnehmen zu wollen. Die Kollegen drängten sich
händeschüttelnd und schulterklopfend heran, Arme legten sich um seine
Mitte, Hände schlugen auf seinen Rücken, Glückwünsche wurden ihm in die
Ohren gebrüllt.
    »Was …«, stammelte er.
    »Das war es, mein Junge!«, schrie einer der Partner von
Schnellberger. »Genau das war es, was du brauchtest!«
    Anton nickte mechanisch, doch er war sich nicht sicher, ob
wirklich zutraf, was sein Kollege da sagte. Anton hatte gerade eben
Kleff gesehen, den Kripomann, der Ziggy seinerzeit hoppgenommen hatte.
Er stand unbeachtet inmitten des Gewühls und sah Anton an. Sah ihn
einfach nur an.
    Anton fühlte sich wie gerädert, als er auf
dem Parkplatz vor der Kanzlei aus dem Wagen stieg. Er war mit seinen
Gedanken meilenweit weg, ohne sagen zu können, wo. Erst als er zum
Eingang hinüberging, bemerkte er, dass er den Wagen abgeschlossen
hatte, obwohl der Referendar noch drin saß. Als Anton das Hämmern
hörte, drehte er sich um und hob reumütig den Schlüssel mit der
Fernbedienung. Die Zentralverriegelung seines BMW 523i löste sich, und
der Referendar stieß die Beifahrertür auf.
    »Tut mir Leid«, kam Anton ihm zuvor. »Ich bin im Moment nicht
ganz bei mir.«
    Beim Betreten des Kanzleigebäudes musterte er das blank
polierte Messingschild an der noblen Fassade. Dr. Harald
Schnellberger, und darunter sämtliche acht Partner.
Vielleicht demnächst neun. Mit ihm.
    Als er die Tür zum Empfangsraum aufschloss, wunderte er sich
über die ungewohnte Stille. Aber nur einen Moment lang, nur so lange,
bis der Jubel über ihn hereinbrach. Sämtliche Anwälte der Kanzlei, alle
Sekretärinnen, Anwaltsgehilfinnen, Referendare hatten sich im
Empfangsraum versammelt, um ihm einen großen Bahnhof zu bereiten. Sie
hielten Champagnergläser in den Händen und bildeten ein Spalier, an
dessen Ende Harald Schnellberger stand, Seniorpartner, Gentleman im
englischen Stil, das Haar silbern, die Krawattennadel massiv golden,
die Patek-Philippe-Uhr aus Platin und die Manschettenknöpfe lupenreine
Zweieinhalbkaräter. Er breitete emphatisch die Arme aus, als Anton
näher kam.
    Anton war versucht, einen Blick hinter sich zu werfen, ob
wirklich er gemeint war. Aber er war es. Von allen Seiten wurden ihm
Hände zum Schütteln entgegengestreckt. Jemand drückte ihm ein gefülltes
Champagnerglas in die Hand, während er vor Schnellberger stand und nach
Worten suchte.
    Schnellberger kam ihm zuvor. »Werter Herr Kollege Winkler!
Gratuliere! Sie haben uns alle Ehre gemacht – Partner!«
    Das war es. Das Zauberwort. Partner. Er hatte es gesagt. Er
hatte es tatsächlich gesagt! Anton wiederholte es im Geiste, er sagte
es sich stumm immer wieder vor, wie ein Mantra. Partner, Partner,
Partner. Jedesmal erschien eine Null mehr hinter der Garantiesumme
seiner künftigen Sozietätsbeteiligung. Anton war seit fünf Jahren
Anwalt in dieser Kanzlei und hatte sie wachsen sehen. Jetzt, mit
fünfunddreißig,

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