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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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das Rezept ab und reichte es Flora.
    Sie nahm zum Abschied niedergeschlagen seine Hand und nickte
bloß, als er aufmunternd sagte: »Bis zum nächsten Mal. Entweder hier
bei mir in der Praxis – oder schon in der Klinik. Und bringen
Sie mir den Vater mit, ja?«
    An diesem Nachmittag war sie entschlossen,
das Thema endlich zur Sprache zu bringen. Und es endgültig
auszudiskutieren. Heiner war der Vater, aber er benahm sich nicht so.
Ganz und gar nicht. Anita hatte völlig Recht. Es war höchste Zeit, dass
er sich auf seine familiären Pflichten besann.
    Immerhin war er heute zu Hause, was in letzter Zeit nicht
gerade häufig vorkam. Wahrscheinlich hätte er auch heute wieder den
ganzen Tag gemalt, wenn nicht das Länderspiel zwingend seine
Anwesenheit erfordert hätte. In seinem Atelier stand kein Fernseher.
    Flora ging ins Wohnzimmer, blieb vor dem Couchtisch stehen und
machte den Fernseher aus. Heiner nahm ihr die Fernbedienung aus der
Hand und versuchte, den Apparat wieder einzuschalten, doch Floras
dicker Bauch blockierte das Signal.
    »Vergiss es«, sagte sie.
    »Was ist los mit dir?«
    »Sei einfach nur still und hör mir zu.«
    Fünf Minuten später nickte er, doch es war eher eine Geste der
Rekapitulation als der Zustimmung. »Der langen Rede kurzer Sinn: Du
brauchst Geld.«
    »Exakt.«
    »Ja, und was hab ich damit zu tun?«
    Flora platzte der Kragen. »Verdammt, du bist das Letzte, weißt
du das? Wer wollte denn, dass wir zusammenziehen? Wer war denn damit
einverstanden, dass wir eine Familie gründen?«
    »Das war vermutlich der größte Fehler meines Lebens«, sagte
Heiner ruhig.
    Flora starrte ihn an. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr
die Tränen in die Augen schossen. »Das meinst du nicht wirklich«,
brachte sie mühsam hervor.
    Er stimmte ihr sofort zu. »Natürlich nicht. Tut mir Leid. Das
war nur so dahingesagt. Ich hab nicht nachgedacht.«
    »Heiner, so geht das nicht weiter. Wir müssen irgendwie
regelmäßiger Geld einnehmen. Und vor allen Dingen mehr. Es reicht ja
kaum noch für die Miete und den Strom. Seit Monaten essen wir doch bloß
Spaghetti und Knäcke. Ohne was drauf. Uns fehlen auch noch Sachen für
das Baby. Es ist doch auch dein Kind, um Himmels willen!«
    »Du lässt aber auch keine Gelegenheit aus, mir das unter die
Nase zu reiben, stimmt's?«
    Flora setzte sich zitternd aufs Sofa und presste die Hand vor
den Mund. Heiner stand von seinem Sessel auf, kam zu ihr und ließ sich
resigniert neben sie fallen. »Tut mir Leid. Ich bin ein Schwein, ich
weiß. Das willst du doch hören, oder?«
    Flora konnte nichts sagen. Die passenden Erwiderungen sollten
ihr erst später einfallen. Viel später.
    Heiner schob die Hände in die Hosentaschen und zog auf beiden
Seiten das leere Futter heraus. »Geld hab ich trotzdem keins, tut mir
Leid. Nicht eine müde Mark. Heut Nachmittag hab ich den letzten
Fünfziger vertankt.«
    Er legte den Arm um Flora und küsste sie auf die Schläfe.
    Flora atmete ruckartig aus; es klang verdächtig nach
ersticktem Schluchzen. Heiner nahm den anderen Arm dazu und hielt sie
fest.
    Er berührte dabei ihren dicken Bauch und zog die Hand zurück,
als hätte er sich verbrannt. Scheiße, dachte er, was ist los mit mir?
    »Komm, Florakind, sei nicht so. Ich werde jede Mark
zusammenkratzen, in Ordnung? Ab sofort male ich ein bisschen weniger,
das spart Farben und Geld, okay?«
    Flora nickte, doch in Wahrheit war nichts okay, überhaupt
nichts. Es würde nie mehr richtig okay sein, das war Flora jetzt, in
diesem Augenblick, vollkommen klar. Um das zu begreifen, brauchte man
keine große Intelligenz. Das war eine Sache, die man mit dem Bauch
erkannte. Oder mit dem Herz oder womit auch immer. Jedenfalls kam
dieses Gefühl, diese Gewissheit, dass irgendwas Wichtiges unrettbar
kaputtgegangen war, irgendwo aus ihrer Mitte heraus, nicht aus ihrem
Kopf. Ganz tief da drin war die Stelle, die wehtat. Man konnte nicht
die Hand drauflegen, aber der Schmerz war da und riss einen entzwei.
    Für Heiner war das Gespräch zu Ende. Das Thema war offenbar zu
seiner Zufriedenheit abgehandelt. Er nahm die Fernbedienung, knipste
die Glotze wieder an und zappte weiter bis zum Sportprogramm. Das
Länderspiel hatte schon angefangen. Bis zur Halbzeit würde er außer
Grunzlauten nichts mehr von sich geben.
    Flora schaute fünf Minuten blicklos auf den Bildschirm, dann
stand sie auf, ging ins Schlafzimmer, legte sich auf ihre Betthälfte
und heulte.
    Irgendwann am frühen Abend stand sie auf

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