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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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und
stellte fest, dass Heiner schon wieder weggegangen war. Flora ging ins
Bad und wusch ihr Gesicht mit eiskaltem Wasser.
    Sie stellte den Boiler an, um zu baden, doch nach wenigen
Minuten geschah, was sie schon seit Monaten befürchtet hatte: Das
vorsintflutliche Ding gab ein gurgelndes Geräusch von sich und dann,
mit einem hämischen Klacken, seinen elektrischen Geist auf. Endgültig.
Auch mit Fluchen und gutem Zureden war es nicht dazu zu bewegen, wieder
anzuspringen.
    Flora starrte den alten rostigen Boiler an und spürte, wie
ihre Lethargie von heißer Wut verdrängt wurde. Zum Teufel, wer war sie
denn? Sie würde sich nicht von diesem blöden Boiler unterkriegen
lassen! Sie doch nicht!
    Früher hatte es auch nur kaltes Wasser gegeben. Kein Mensch
hatte vor hundert Jahren Warmwasserleitungen gekannt. Und das war ja
noch gar nichts. In der Sahelzone waren die Menschen froh, wenn sie
überhaupt ab und zu ein Tröpfchen Wasser kriegten, um wenigstens ihre
Zungen zu befeuchten. Allein zwei Dritteln der Bevölkerung von Timbuktu
mangelte es an sauberem Trinkwasser.
    Wer musste schon warm baden? Flora jedenfalls nicht.
    Sie zog sich aus, stellte sich in die kalkfleckige Wanne und
ließ mit Todesverachtung eiskaltes Wasser über sich laufen. Das Baby
strampelte heftig, aufgeschreckt von dem plötzlichen Kreislaufschock.
Flora summte beruhigend und machte ein paar tiefe Entspannungsatemzüge.
    »Immer und immer in den Beckenboden, ganz tief hinab, hinab,
hinab«, summte sie laut und falsch, zur Melodie von Michael Jacksons
Heal The World.
    Nach diesem Akt der Belebung, der sie auch innerlich gereinigt
zu haben schien, zog Flora ein frisches Kleid an, schlug in den Gelben
Seiten eine Adresse nach, nahm ihren Laptop und ging zur Bushaltestelle.
    Die Pfandleihe war am anderen Ende der
Stadt. Gott sei Dank. Niemand kannte sie hier. Niemand würde
mitbekommen, wie tief sie gesunken war. Sie verpfändete ihr Hab und Gut
und stand damit beinahe auf der untersten Sprosse der sozialen
Abstiegsleiter. Darunter rangierten für Flora nur noch Sozialhilfe und
Obdachlosigkeit. Das eine empfand sie als ebenso unwürdig und
entmenschlichend wie das andere. Deswegen mochte sie Anita und Tobias
nicht weniger (die beiden lebten seit Jahren von der Stütze), aber sie
selbst brachte es einfach nicht über sich, zum Sozialamt zu gehen. Sie
war nicht so erzogen. Hilf dir selbst, und dir ist geholfen. Ein
Wahlspruch ihrer Mutter, die zwei Kinder ohne Vater und ohne einen
Pfennig fremde Hilfe großgekriegt hatte. Das konnte sie, Flora, mit
noch nicht mal einem Kind schon lange. Sie dachte an ein riesiges
Steak, an Lachs, Hummer, Hähnchen und Berge von Heidelbeereis mit
Sahne. Das war genau das, was sie heute noch brauchte. Was ihr Baby
brauchte.
    Trotzig stieß sie die Tür auf und ging hinein. Hinter der
Theke stand ein wieselartiger Typ und machte Stielaugen, als er Floras
schwangeren Bauch sah.
    Flora legte den Laptop vorsichtig vor ihm ab. »Wie viel geben
Sie mir dafür?«
    Der Mann betrachtete das Gerät von allen Seiten, klappte es
auf, setzte es in Betrieb, lauschte dem elektronischen Surren, prüfte
ein paar der Funktionen.
    »Er ist in Ordnung«, sagte Flora ungeduldig. »Wie viel?«
    »Normalerweise nehm ich so was nicht«, erklärte der
Pfandleiher.
    Das war frech gelogen, stellte Flora mit einem kurzen
Rundblick fest. In den Regalen hinter ihm lagen mindestens drei andere
Notebooks.
    »Aber ich will mal ne Ausnahme machen. Ich hab eben im Grunde
ein weiches Herz.«
    »Wie viel?«
    »Aber nur, weil Sie ein Baby kriegen.«
    »Himmel noch mal, wie viel?«
    Der Pfandleiher schien Schwierigkeiten zu haben, ihr diese
einfache Information zuteil werden zu lassen. Stattdessen setzte er ihr
umständlich auseinander, dass diese Transaktion nichts anderes
darstellte als eine Kreditvergabe. Sie als Darlehensnehmerin gab das
Gerät als Sicherheit für den Kredit und erhielt dafür eine bestimmte
Darlehenssumme, die in etwa dem Wert des Pfandgegenstandes entsprach.
Das war das Mindeste, was im Falle der Nichtauslösung bei einer
Versteigerung reinkommen musste, zuzüglich Zinsen und Unkosten
selbstverständlich, deshalb müsse es Flora natürlich ganz klar sein,
dass dies nicht der Marktwert sein könne, und zwar auf gar keinen Fall
der Marktwert, ob ihr das wirklich klar sei?
    »Sonnenklar«, sagte Flora. »Wie viel?«
    »Hundert Mark.«
    Flora schrie entsetzt auf. »Aber er hat eine
Vier-Gigabyte-Festplatte! Anschluss für Drucker, Fax und

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