Ich schnapp' mir einen Mann
alt, fesch herausgeputzt mit
Kleinkindmode von Osh-Kosh und Benetton. Flora betrachtete sie
sehnsüchtig und lauschte in sich hinein. Würde ihr Baby auch so
aussehen? So pausbäckig und blond wie der eine Bub, oder so dunkel
gelockt und schmal wie der andere? Die zwei hockten einträchtig in der
Spielecke des Wartezimmers und rissen Zeitschriften in Fetzen. Eine
Frau im Spiegel und ein Goldenes Blatt. Der Legoeimer und die
Bauklötzchen interessierten sie nicht. Wenn ihr meine Jungs wärt,
dachte Flora, würde ich euch auch Illustrierte zerreißen lassen. Eure
Mütter sind echt okay, Kinder.
Sie musterte die beiden Muttis, die ihre Bäuche nebeneinander
platziert hatten. »Meiner hat erst mit neun Monaten mit den
Kotzanfällen aufgehört«, sagte gerade die eine. Das musste die
Osh-Kosh-Mutti sein, sie war die Dunkle.
»Gegen das Kotzen ist man machtlos«, bestätigte
Klein-Benettons Mami. »Bei meinem hat es fast ein ganzes Jahr gedauert.
Es wurde erst besser, als die Backenzähne kamen und er anständig kauen
konnte. Da war dann endlich Schluss mit dem ewigen Reihern. Bis dahin
hatte ich überall in der Wohnung die Spuckflecken.«
»Ich hab nur in den ersten drei Monaten gespuckt«, mischte
sich stolz die dritte Schwangere ein. Sie war kaum zwanzig und hatte
strohgelb gefärbtes Haar. Benetton und Osh-Kosh starrten sie mitleidig
an. »Wir reden gerade über die Kinder, nicht über uns«, belehrte
Osh-Kosh sie.
»Ach so«, sagte die Strohgelbe und blickte peinlich berührt
auf ihren Bauch.
»Mein ältester Sohn hat auch gespuckt«, meldete sich eins der
beiden reiferen Semester, »aber ich hab immer ein Mulltuch untergelegt.«
»Meine Tochter hat kein einziges Mal gespuckt«, behauptete die
andere überlegen, »aber ich hab sie auch immer nach dem Trinken zweimal
Bäuerchen machen lassen. Wenn man die Säuglinge vernünftig aufstoßen
lässt, kann nichts wieder hochkommen.«
Benetton und Osh-Kosh nahmen die beiden nicht zur Kenntnis.
Was hatten die schon zu melden mit ihren total antiquierten
Mutti-Erfahrungen? Was wussten die schon vom Kinderkriegen? Heute lief
das doch sowieso alles ganz anders, geburts- und erziehungsmäßig und
überhaupt.
Der Osh-Kosh-Knirps kam zu seiner Mutter gewackelt und trat
sie kräftig gegen die Schienbeine.
»Nicht, Jonathan, das tut weh.«
Der Benetton-Bubi wollte auch mitmachen. Er kam herüber und
biss seine Mutter in die Hand. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus.
»Männlein, das ist gar nicht lieb von dir!«
Männlein und Jonathan tauschten Blicke und grinsten.
»Mama Aua machen«, sagte Jonathan begeistert und trat fester
zu.
»Jonathan, das tut sehr weh. Mami muss gleich weinen.«
Das spornte Jonathan sofort zu härteren Maßnahmen an. Er holte
mit seinen Baby-Dockers aus und erwischte genau den Knochen. Osh-Kosh
sog zischend die Luft durch die Zähne ein.
»Klopfen sie ihm doch mal ordentlich auf den Hosenboden«,
empfahl der Vertreter.
Benetton und Osh-Kosh musterten ihn wie etwas, das gerade aus
einem schleimigen Loch im Boden gekrochen kommt.
Männlein und Jonathan ersonnen unterdessen eine Auswahl neuer
Foltermethoden, um die Wartezeit bis zur Schwangerschaftsuntersuchung
abzukürzen.
Bis die beiden Mütter drankamen, waren sie reif für die
Notaufnahme.
Flora, mit den Nerven mittlerweile ebenfalls am Ende, tauschte
das Eltern-Heft gegen eine Cosmopolitan. Ihr war nach Frauen ohne
Bäuche und ohne Kinder zumute, nach mageren, schicken, selbstbewussten,
perfekt geschminkten Schönheiten ohne Spuckflecken und Biss-Spuren,
Frauen, die Joop! oder Escada oder Miyake trugen und die Osh-Kosh für eine Art
Brettspiel oder so hielten.
In der folgenden Stunde erfreute sie sich an toller
Designermode und angesagter Einrichtung. Anschließend las sie einen
Artikel über Pheromone, jene besonderen hormonellen Duftstoffe, die der
Mensch verströmt und die ihn auf das andere Geschlecht anziehend wirken
lassen. Während des Eisprungs, so erfuhr Flora, verändern sich die
Pheromone der Frau. Männer konnten das erschnuppern und reagierten
ihrerseits mit entsprechender Hormonausschüttung, die sie scharf auf
mehr machte.
Flora überlegte trübsinnig, dass sie seit bald neun Monaten
keinen Eisprung mehr gehabt hatte. Kein Wunder, dass sich die ganze
Zeit im Bett nichts mehr abgespielt hatte. Wenigstens wusste sie jetzt,
woran das lag. Es war nicht ihre Schuld, und auch nicht die von Heiner.
Es war ganz einfach eine Sache der Hormone, und dagegen waren die
Menschen
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