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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Die Zeit,
die ihn noch vom endgültigen Magendurchbruch trennte, wurde knapper.
Was würden die Zeitungen über seinen Tod bringen? Anwalt tot in Bank?
Oder: Anwalt starb an Stress? Er für seinen Teil fand am passendsten:
Apotheker schickte Anwalt in den Tod.
    Endlich! Die Brieftasche! Anton klappte sie auf, riss seine
Euroscheckkarte hervor, steckte sie in den Automaten und tippte seine
Geheimzahl. Er wartete ein paar Sekunden. Und wartete. Und wartete.
Doch das nächste Menü, das normalerweise längst auf dem Monitor hätte
erscheinen müssen, kam nicht. Es kam überhaupt nichts mehr. Keine
Schrift. Kein Geld. Nicht mal seine Karte. Anton drückte vorsorglich
auf den Abbruchknopf, doch der Apparat reagierte nicht. Er hatte seine
Karte gefressen und dann den Geist aufgegeben! Anton tippte eine Reihe
von wahllosen Zahlenkombinationen, als könnte er das Gerät damit auf
magische Weise wieder aktivieren. Vergeblich.
    Anton holte aus und verpasste dem Ding einen kräftigen
Faustschlag. Hielt einen Moment inne, stierte den Monitor an. Der war
immer noch tot. Noch ein Schlag, diesmal fester. Wieder nichts.
    Unterdrückt fluchend, malträtierte er den Automaten mit einem
halben Dutzend harter Faustschläge. Keine Karte, kein Geld. Kein Geld,
keine Tabletten. Und dann, als ihm klar wurde, dass das längst nicht
alles war, entwich ihm ein entsetztes Ächzen: Er würde eine ellenlange
Verlustmeldung ausfüllen müssen, und in einer viertel Stunde fing sein
erster Gerichtstermin an! Hasserfüllt versetzte er dem dämlichen
Automaten einen letzten Hieb. Im selben Moment tauchte am Rande seines
Gesichtsfeldes eine Gestalt auf, und er fuhr erschrocken zu der alten
Dame herum, die wie angewurzelt dort stand. Sie hatte einen absurd
winzigen Schoßhund im Arm, und ihr zutiefst missbilligender
Gesichtsausdruck ließ nur den Schluss zu, dass sie ihn seit geraumer
Zeit beobachtet hatte.
    Mit einem Ausdruck biederer Unbescholtenheit trat Anton einen
Schritt von dem Apparat zurück und hob beide Hände, dann zeigte er mit
dem Daumen über die Schulter auf den Geldautomaten. »Das Ding will
einfach kein Geld rausrücken.«
    Die Alte schaute noch argwöhnischer drein. Anton lächelte
betont harmlos, warf seine Brieftasche in den Koffer, klappte ihn
nachlässig zu und deutete in die Bank. »Tja, dann geh ich wohl besser
mal rein und besorg mir da drin mein Geld.«
    Auf seinem Weg in den Schalterraum fühlte er, wie die Alte ihn
von hinten mit ihren Blicken erdolchte.
    Die Frau starrte dem merkwürdigen Mann nach, bis sie ihn nicht
mehr sehen konnte. Heutzutage trieben sich die komischsten Leute frei
auf den Straßen herum. Dabei hatte er ganz normal ausgesehen, in seinem
feinen Anzug, mit den blank polierten Schuhen, dem ordentlich
frisierten Haar. Kopfschüttelnd wandte sie sich zum Gehen und stieß im
nächsten Augenblick gegen eine junge Frau, die, durch den Zusammenstoß
aus dem Gleichgewicht gebracht, einen Schritt zur Seite taumelte und
dann einfach stehen blieb. Die junge Frau sah aus, als sei sie nicht
ganz bei sich, stellte die Alte besorgt fest. Hochschwanger, an jeder
Seite eine Tasche (eine schleifte sie am Henkel hinter sich her), stand
sie wie angewurzelt neben dem Automaten und hielt sich daran fest. Sie
starrte auf ihre Hand, als hätte sie sie nie zuvor gesehen.
    »Der Automat funktioniert nicht«, sagte die Alte vorsorglich.
    Die junge Frau antwortete ihr nicht. In Gedanken schien sie
unendlich weit weg zu sein. Sie sah einsam und verloren aus, und sie
schien den Blick einfach nicht von ihrer Hand wenden zu können, die
immer noch am Automaten lag.
    »Der Kartenapparat ist kaputt, wissen Sie. Gehen Sie doch auch
einfach in die Bank«, sagte die Alte mütterlich. »Lassen Sie sich da
drin Geld geben.«
    Die junge Frau blinzelte und schien, wenn auch extrem langsam,
aus ihrer merkwürdigen Erstarrung zu erwachen. Jetzt hielt sie die Hand
vor ihre Augen und glotzte sie an, als wäre es irgendeine monströse
Absonderlichkeit. Vielleicht hatte ihr Verstand unter der
Schwangerschaft gelitten. Dergleichen sollte ja zuweilen vorkommen.
    Die Alte trat vor sie hin und nahm ihre Hand. Der Hund kläffte
zweimal schrill. Die junge Frau zuckte zusammen und starrte ihn an.
Endlich.
    »Warum gehen Sie nicht einfach da rein?«, wiederholte die Alte
ihre Aufforderung, »und besorgen sich da drin das Geld, das Sie
brauchen?«
    Die junge Frau schaute in die Schalterhalle. Hinter ihrer
Stirn schien es heftig zu arbeiten. Sie schien wirklich

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