Ich schnapp' mir einen Mann
der
anderen.
»Vergiss es«, sagte Flora boshaft. »Du und ich, wir beide,
werden diese Sache jetzt wie geplant durchziehen.«
Sie war so damit beschäftigt, Anton in Schach zu halten, dass
ihr völlig entging, was sich hinter dem Banktresen abspielte. Xaviers
Blicke huschten hurtig zur Videokamera, die links von ihm in einer Ecke
des Raums an der Decke angebracht war. Das rote Auge zeigte an, dass
alles aufgenommen und auf das Band überspielt wurde, welches im
Untergeschoss in einem einbruchsicheren Raum mitlief.
Dann betrachtete er den bis zum Rand mit Geld gefüllten
Koffer, der aufgeklappt vor ihm lag. Als Nächstes beäugte er den
Alarmknopf, drei Schritte von ihm entfernt, links vom Schreibtisch,
ganz genau da, wo er eben noch gesessen hatte. Auf der anderen
Seite – nur zwei Schritte weg von ihm – befand sich
sein eigener, dem Geldkoffer frappierend ähnlicher Aktenkoffer, der nur
deshalb noch dort stand, weil er ihm nach Schalteröffnung einige Belege
entnommen hatte und anschließend noch nicht dazu gekommen war, ihn in
sein Büro zu bringen.
Xaviers Blicke zuckten hin und her: Überwachungskamera.
Geldkoffer. Alarmknopf. Sein eigener Koffer. Überwachungskamera.
Geldkoffer. Alarmknopf. Sein eigener Koffer. Alles im Bruchteil einer
Sekunde.
Länger brauchte er nicht, um zu einem Entschluss zu kommen.
Diese dämliche Zimmermann ließ den Typ, der sich über den kaputten
Automaten beschwert hatte, nicht aus den Augen. Sie war vollauf damit
beschäftigt, ihn anzustarren. Der wiederum war damit beschäftigt, die
Zimmermann anzuglotzen, beziehungsweise die Pistole.
Seine Kollegin war damit beschäftigt, das Gesicht gegen den
Boden zu pressen und irgendwie eine Symbiose mit dem Teppich einzugehen.
Xavier schloss sacht den Geldkoffer, tat zwei geräuschlose
Schritte nach rechts und hatte eine Zehntelsekunde später seinen
eigenen Koffer in der Hand. Eine weitere Zehntelsekunde später war der
Austausch vollzogen.
Keinen Moment zu früh. Flora wandte sich ungeduldig zu ihm um.
»Wie lange brauchen Sie denn noch?«
»Schon fertig. Bitte sehr, Frau Zimmermann.« Xavier streckte
ihr seinen Koffer entgegen. Sie riss ihn an sich, ohne den Unterschied
zu bemerken.
»Danke, Herr Xavier. Bitte legen Sie sich jetzt hinter den
Tresen.«
Xavier gehorchte umgehend und verschwand in der Versenkung.
Jetzt hätte er bequem den Knopf erreichen und den Alarm auslösen
können, doch er dachte gar nicht daran. Noch nicht.
Flora marschierte zur Tür, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
»Das ist doch Wahnsinn«, beschwor Anton sie. »Damit kommen Sie
niemals durch! Die Polizei schnappt Sie garantiert schon auf der
Straße!«
Flora ignorierte ihn. »Sie beide da hinterm Tresen –
nur keine Zicken! Ich meine, machen Sie bitte keine
Zicken.«
Dann drehte sie sich zu Anton um und warf ihm einen schrägen
Blick zu.
Er hatte natürlich absolut Recht, dachte sie. Zu einem
vernünftigen Bankraub gehörte eine vernünftige Flucht. Die Flucht war
fast noch wichtiger als der Überfall. Klappte die Flucht nicht, war der
ganze Überfall nichts wert.
Tja, das war wohl der Nachteil daran, dass sie so spontan zu
Werke gegangen war, so völlig ohne Planung oder Vorbereitung. Wie gut,
dass der Anwalt das Thema angeschnitten hatte. Sie brauchte
selbstverständlich sofort ein Fluchtfahrzeug. Und sie hatte auch
bereits eine Idee.
Sie trat auf Anton zu und presste ihm die Pistole in die
Seite. »Tut mir Leid, aber es geht nicht anders. Mitkommen.«
Anton starrte wild um sich, als er, das Robenbündel vor der
Brust, mit Flora (und der Pistole) dicht an seiner Seite aus der Bank
ins Freie trat. Jemand musste dieser Farce ein Ende bereiten! Sofort!
Wo war die Polizei, wenn man sie brauchte? Beim Kaffeetrinken? Kein
Mensch war in Sicht! Vorhin war das doch noch eine ganz belebte Straße
gewesen! Waren die alle beim zweiten Frühstück? Und
überhaupt – wieso arbeiteten in dieser Bank nur zwei Leute?
Waren die anderen krank, auf einem Stadtbummel, in Urlaub? Selbst in
eine mickrige Bankfiliale wie diese gehörten doch mindestens drei
Leute, oder nicht? Dann hätte vielleicht einer dieser Trottel die
Courage aufgebracht, rechtzeitig Alarm auszulösen!
»Wir nehmen Ihren Wagen«, entschied Flora.
»Ich habe überhaupt keinen Wagen.«
»Ach, ja? Und ich hätte die ganze Beute darauf verwettet, dass
es der dicke BMW da vorn ist.«
»Der da?«, protestierte Anton. »Ich hasse diese Marke! So ein
Ding würde ich doch nie fahren! Nicht
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