Ich schnapp' mir einen Mann
mal mit der Kneifzange würde ich
den anfassen!«
Flora klemmte ungerührt den Koffer zwischen die Knie, hielt
mit der einen Hand weiterhin die Pistole in Antons Rippen gedrückt und
schob die andere Hand erst in die linke, dann die rechte Tasche seines
Sakkos. Dort fand sie sofort die Autoschlüssel, bemerkte erfreut die
Fernbedienung und betätigte sie. Das Klacken, mit dem die
Zentralverriegelung aufschnappte, war fatalerweise deutlich zu hören.
Zwecklos, länger abzustreiten, dass der Wagen ihm gehörte. Anton wurde
mit dem Pistolenlauf über die Straße gedrängt und hinters Steuer
genötigt, bevor er noch richtig begriff, wie ihm geschah. Und als er
eine endlose Sekunde später seine Hände von dem hinderlichen Bündel vor
seiner Brust befreit und alles einfach auf den Beifahrersitz geworfen
hatte, war die Verrückte auch schon neben ihm, den Koffer rechts
zwischen sich und der Tür, und hielt ihm die Pistole vor die Nase. Es
schien sie nicht zu stören, dass sie auf seiner Robe, seiner
Brieftasche, seinem Handy, seinem Notebook, seinen beiden kostbaren
Montblanc-Masterpiece-Füllern (hoffentlich hielt das Etui der Belastung
stand!) und drei überaus wichtigen Akten saß.
Flora schob den Schlüssel ins Zündschloss. »Fahren Sie los!«,
befahl sie.
»Und wenn ich das nicht tue? Erschießen Sie mich dann?«
Floras Augen wurden einen Ton dunkler. »Ich würde es an Ihrer
Stelle lieber nicht drauf ankommen lassen. Vor nicht mal einer viertel
Stunde habe ich schon jemand anderen umgebracht.«
Im Schalterraum der Bank lag die junge
Angestellte immer noch flach auf dem Bauch, beide Arme über dem Kopf.
»Sind sie weg?«, wagte sie nach einer Weile zu flüstern.
»Bleiben Sie lieber noch eine Weile unten!«, rief Xavier,
»vorsichtshalber.«
Er stand auf einem gefährlich schwankenden Drehstuhl und
hantierte an der Überwachungskamera herum.
»Kann ich jetzt gucken?«, fragte die Angestellte zwanzig
Sekunden später.
»Ich sag Ihnen schon, wann!«, fuhr Xavier sie wütend an.
»Wollen Sie, dass man Sie abknallt? Sie haben doch erst letzten Monat
geheiratet, was würde Ihr Mann dazu sagen?«
Das veranlasste sie nachhaltig dazu, sich für mindestens eine
Minute nicht zu mucksen. Genau die Zeit, die Xavier brauchte, um mit
Lichtgeschwindigkeit ins Untergeschoss zu rasen und das Video an sich
zu bringen.
»Jetzt?«, fragte die Angestellte dumpf, im selben Moment, als
er schnaufend wieder in den Kassenraum stürzte.
»Moment … ich glaube, ich sollte sicherheitshalber
noch rasch aus dem Fenster von meinem Büro schauen, da kann man die
Straße besser überblicken.« Er schnappte sich den Koffer, sprintete
damit in sein Büro und schob ihn tief unter seinen Schreibtisch, in die
hinterste Ecke. Geschafft! Er ließ sich auf seinen Drehsessel fallen,
schweißgebadet und zitternd vor Aufregung – vor allem aber von
der ungewohnten körperlichen Anstrengung. Er nahm den Telefonhörer ab
und verständigte die Polizei, dann ging er zurück in den Schalterraum
und blaffte die junge Frau an: »Wollen Sie da auf dem Boden festwachsen
oder was?«
Anton hatte unterdessen den BMW schon das
dritte Mal abgewürgt. Nicht in böser Absicht, sondern weil diese Irre
ihm mit ihrer letzten Bemerkung gehörig Angst eingejagt hatte. Seine
Hände zitterten mit seinen Füßen um die Wette. Vor seinen Augen drehte
sich alles. Er war außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen. Er
fragte sich, wohin sie schießen würde. In den Kopf? Oder direkt ins
Herz? Hoffentlich war er wenigstens sofort tot! Oder, falls nicht,
zumindest nur leicht verletzt. Ein ungefährlicher Streifschuss
vielleicht, ohne arterielle Blutung.
»Jetzt fahren Sie doch endlich!«, schrie Flora ihn an,
entnervt mit der Pistole fuchtelnd. Sie drückte sich die freie Hand ins
Kreuz und fing mit ihrer Anti-Stress-Entspannungsatmung an.
»Wohin? Ins Krankenhaus?«, fragte Anton hoffnungsvoll.
Vielleicht hatten ihre Wehen eingesetzt, und jetzt dachte sie einzig
und allein nur daran, so schnell wie möglich auf ein Kreißbett zu
kommen!
»Unsinn!«, herrschte Flora ihn an. »Einfach nur los.
Irgendwohin. Erst mal weg von hier.«
Endlich klappte es mit der Zündung. Der Motor erwachte mit
sattem Gebrumm zum Leben, und Anton fuhr im Schneckentempo an.
»Ein bisschen schneller, wenn ich bitten dürfte.«
Anton trat das Gaspedal durch. Der Wagen schoss mit heftigem
Ruck vorwärts.
Flora klammerte sich am Türgriff fest. »Nicht so schnell!
Wollen Sie, dass uns eine
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