Ich schnapp' mir einen Mann
falls dieser demnächst käme – gemeinsam ins
Bild zu setzen. Hoffentlich verfielen die beiden Beamten, die sich mit
deutlich zur Schau getragenem Grimm als Türsteher gebärdeten, nicht auf
die dämliche Idee, sich zu Bodyguards aufzuschwingen, etwa indem sie
für ihren Herrn und Meister Kleff eine Gasse zum Dienstwagen
freirempelten.
»Meine Damen und Herren, während wir hier gemeinsam auf Herrn
Kriminalkommissar Alwin Kleff warten, der den Fall als zuständiger
Ermittler an sich gezogen hat, möchten wir Sie in unserer gewohnt
umfassenden Art über weitere Hintergründe des Tatgeschehens
informieren. Unter anderem erfahren Sie gleich von einem Fachmann auf
diesem Gebiet, wie sich plötzlicher Stress in Form einer Geiselnahme
auf den schwangeren weiblichen Organismus auswirken kann. Wir sehen uns
nach der Werbung. Bleiben Sie unbedingt dran. Ich bin Herbert
Schartenbrink von AMS.«
Im Schalterraum war das Spurensicherungsteam
fast fertig mit der Arbeit. Viel zu sichern gab es sowieso nicht. Man
hatte einen großen Wildlederbeutel gefunden, den einer der Täter fallen
gelassen hatte – nach Aussagen der jungen Angestellten hatte
die Frau ihn bei sich gehabt – und in einer Ecke hatte eine
zerdrückte, leere Packung einer gängigen Tablettensorte gelegen, ein
Medikament gegen Magenbeschwerden. Der Filialleiter war der Meinung, es
sei aus dem Koffer gefallen, als dieser zwecks Geldaufnahme ausgeleert
worden sei.
Die junge Angestellte saß heulend auf einem Stuhl und stand
Kleffs Assistenten Rede und Antwort.
»Nein, ich hab wirklich nichts gesehen«, schluchzte sie. »Ich
musste ja auf dem Boden liegen.«
»Die ganze Zeit?«
»So gut wie.«
»Was heißt: So gut wie?«
»Na, als die Frau sagte, ich müsste auf dem Boden liegen, hab
ich mich hingelegt. Danach hab ich nichts mehr gesehen.«
»Wirklich gar nichts mehr?«
»Nichts«, bekräftigte sie. »Ich hatte die Augen zu. Es
erschien mir sicherer.«
Der Beamte ging zu einer anderen Vernehmungsmethode über. Bei
manchen Zeugen empfahl es sich, zunächst ganz global Informationen zu
sammeln und erst im Anschluss daran alles Wichtige zu extrahieren.
»Schildern Sie, was Sie so dachten. Ich meine, was Sie dachten, als der
Überfall geschah. Lassen Sie keine noch so nebensächliche Einzelheit
aus. Nehmen Sie sich Zeit.«
Das schien zu helfen. Sie setzte sich aufrechter hin und hörte
auf zu heulen. »Was ich dachte … Ich dachte, das also ist ein
Banküberfall.«
Der Beamte seufzte und biss in seinen Bleistift.
»Und ich dachte, wie süß die Frau aussah. Ich fand sie
wirklich süß.«
Der Beamte holte tief Luft. »Süß?«
»Wie ein Engel. Ein Engel in anderen Umständen.«
»Ah ja«, sagte der Beamte unverbindlich.
»Sie hat Schatz zu ihm gesagt.«
»Zu wem?«
»Zu dem anderen. Dem mit der EC-Karte.«
Der Beamte fragte sich, ob das leise Splittern in seinem Mund
vom Holz des Bleistiftes stammte oder von seinem rechten unteren
Schneidezahn.
»Das fand ich auch süß. Dass sie Schatz zu ihm sagte und so.
Irgendwie war das romantisch.«
»Romantisch«, notierte der Beamte gewissenhaft, nur um nicht
erneut in den Bleistift beißen zu müssen.
»Ich bin seit sechs Wochen verheiratet.«
Wer immer der Glückliche war, dachte der Beamte, er war nicht
unbedingt zu beneiden.
»Hatten Sie den Eindruck, dass die beiden zusammenarbeiteten?«
»Sie meinen – ob sie zusammen die Bank ausrauben
wollten?«
»Genau.«
»Naja … ich kann das aber nur akustisch beurteilen.
Gesehen hab ich nichts.«
»Sie lagen ja auf dem Boden«, soufflierte er.
»Ich wollte nichts riskieren. Man hört und liest ja so viel.«
Er nickte und wartete. Doch es kam nichts. Sie betrachtete
eingehend ihre lackierten Nägel. Allem Anschein nach hatte sie die
Frage wieder vergessen.
»Also, waren die beiden ein Team? Komplizen?«
»Ich weiß nicht … Sie hat Schatz zu ihm gesagt.«
»Das erwähnten Sie bereits.«
»Ich könnt's nicht beschwören.«
»Dass die Frau Schatz sagte?«
»Nein, dass die beiden Komplizen waren.«
Er notierte es.
»Schließlich war er ja auch ein paar Minuten früher da als
sie.«
Er notierte auch das.
»Könnte das eine Masche gewesen sein? Zur Irreführung?«,
fragte er gespannt.
»Ich weiß nicht. Vielleicht ja, vielleicht nein.«
»Mit Sicherheit ja«, sagte Xavier
kategorisch.
»Ohne Wenn und Aber?«, fragte Kleff.
»Sie waren Komplizen. Punkt.«
Die beiden saßen in Xaviers Büro, Xavier hinter seinem
Schreibtisch, Kleff
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