Ich schnapp' mir einen Mann
dass seiner Kunst ein viel versprechender
kommerzieller Aspekt innewohnte, der bloß richtig herausgekitzelt
werden musste.
Also hatte sie sich seiner angenommen und beschlossen, als
seine Muse und Managerin zu fungieren. Es gab aus Tamaras Sicht nichts
daran zu deuten, dass sie ein einmaliger Glücksfall in seinem Leben
war. Ihm fehlte nur noch der letzte Kick, ein besonderes Event, das den
Durchbruch einleitete …
Tamara pustete den Schaum von dem Bier, das sie für Anton
eingeschenkt hatte.
Die für einen Start nötige Publicity war jetzt da, so viel
stand fest. Sie kam zwar aus anderer Richtung als erwartet, doch wen
scherte das schon. Es galt nur noch, die einmal hervorgerufene
Aufmerksamkeit für sich und Heiner in die richtigen Bahnen zu lenken.
Nächste Woche die Ausstellung im Bürgerhaus (nicht schlecht für den
Anfang; die Leute vom Fernsehen verfügten wirklich über die
erstaunlichsten Beziehungen!) und morgen Früh das erste öffentliche
Happening, eine spezielle, auf Zuschauer zugeschnittene Performance,
wie sie ihr und Heiner schon seit längerem vorschwebte. Dafür musste
Heiner sich eben noch mal ein paar schmalztriefende Kommentare über
seine Lebensgefährtin abringen, auch wenn ihm dies zuwider war (ab
morgen Ex-Lebensgefährtin, das musste sie noch vertraglich mit den
Fernsehfritzen regeln).
Tamara schaute nochmals aus dem Fenster. Immer noch nichts. Zu
blöd. Wenn sie nicht endlich mit den Getränken zurückkehrte, würde das
Verdacht erregen. Sie nahm das Tablett und trug es zum Wohnzimmer. Mit
dem Ellbogen öffnete sie die Tür, balancierte ihre Last zum Couchtisch
hinüber und stellte sie auf der Glasplatte ab. Als sie aufblickte,
entfuhr ihr ein Laut der Überraschung.
Flora und Anton waren weg.
Glücklicherweise hatten sie gerade noch den
BMW erreicht, buchstäblich in letzter Sekunde, bevor Kleffs Wagen
angekommen war. Glücklicherweise hatte Anton doch noch eingesehen, dass
Tamara nicht zu trauen war. Glücklicherweise hatten sie die Wohnung auf
der Stelle verlassen, ohne etwas zu trinken, ohne sich umzuziehen, ohne
länger auszuruhen. Ohne nachzudenken. Glücklicherweise war Tamara ihnen
dabei nicht über den Weg gelaufen, sodass sie auch nicht hatte
versuchen können, sie aufzuhalten.
Zusätzliches Glück war, dass sie in ausreichender Entfernung
geparkt hatten und daher sichere zweihundert Meter zwischen Kleff und
ihnen lagen.
Weniger glücklich war der Umstand, dass sie nicht mehr hatten
losfahren können, ohne höchst unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu
lenken. Kleff war im selben Moment ausgestiegen, als sie die Türen des
BMW hinter sich zugeknallt hatten.
Jetzt stand er unter seinem großen schwarzen Schirm auf dem
Bürgersteig und beobachtete das Haus. Es sah ganz danach aus, als hätte
er Verstärkung angefordert und wartete auf deren Eintreffen.
Anton und Flora kauerten sich in unnatürlicher Haltung dicht
aneinandergedrängt auf den Vordersitzen zusammen, mehr liegend als
sitzend, und starrten über die Hutablage zu dem dunkel glänzenden
Schirm hinüber.
»Er schaut zu deiner Wohnung hoch!«, zischte Flora.
»Hab ich gesehen.«
»Aber er rührt sich nicht.«
»Ich bin nicht blind«, sagte Anton verärgert.
»Und was jetzt?«
»Keine Ahnung.«
»Vielleicht sollten wir einfach losfahren«, schlug Flora vor.
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Er würde es sofort
mitkriegen und per Funk Hilfe ordern. Vielleicht ist die Streife schon
ganz nah. Dann kämen wir nicht weit.«
»Wenn wir hier stehen bleiben, auch nicht«, kommentierte Flora.
»Kann ja sein, dass er doch noch reingeht. Dann könnten wir
ganz unbemerkt abhauen.«
»Und wenn er draußen wartet?«, meinte Flora. »Oder wenn gleich
noch andere Bullen kommen? Es ist doch sowieso nicht üblich, dass die
alleine losziehen für ne Verhaftung!«
Anton hob den Kopf. »Pssst! Jetzt geht er los!«
Flora drehte und reckte sich zugleich, um es auch sehen zu
können. Ihr Bauch drängte sich gegen Anton, der das Gefühl hatte, zu
ersticken und deshalb nach unten rutschte, um sich Luft zu verschaffen.
»Ich seh nichts mehr!«, beschwerte er sich.
»Er läuft rüber zum Eingang«, flüsterte Flora. »Moment. Jetzt
bleibt er stehen.«
Sie schwieg.
»Und?«, fragte Anton dumpf unter ihrem rechten Arm hervor.
»Garantiert geht er gleich rein«, sagte Flora. Um einen
besseren Blickwinkel zu bekommen, verlagerte sie ihr Gewicht. Auf Anton.
»Geh sofort runter von mir! Ich krieg 'nen
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