Ich schnapp' mir einen Mann
besaß Xavier natürlich als gestandener Mann von
neununddreißig Jahren auch andere Gegenstände als die in den Regalen.
Vor kurzem war zum Beispiel sein Plattenspieler gegen eine richtige
Stereoanlage ausgetauscht worden, doch die stand im Wohnzimmer, damit
Mutti auch was davon hatte. Und er verfügte selbstverständlich wie
jeder Mann von Format über einen PC, der jedoch in einem anderen Zimmer
untergebracht war.
Hier, in seinem Zimmer, wollte er sich entspannen und ganz
Mensch sein. Deshalb zählte Xavier auch noch weitere Dinge zu seinen
Besitztümern, die ebenfalls nicht im Regal standen; nicht aus
Platzmangel, sondern weil Mutti dafür bestimmt kein Verständnis gehabt
hätte. Er hatte sie in seinem Arbeitskoffer versteckt und holte sie nur
hervor, wenn ihm danach war. So wie jetzt.
Er zog den neuen Koffer unter seinem Klappbett hervor, legte
ihn neben sich aufs Bett, öffnete ihn und nahm ein paar der Geldbündel
heraus. Es war nicht das erste Mal, dass er Geld aus der Bank mit nach
Hause genommen hatte, aber diesmal war es ganz anders. Diesmal konnte
er es für immer behalten. Damit tun, was er wollte. Es war schließlich
seins. Keiner der Kollegen würde je wieder dämliche Bemerkungen darüber
machen, woher nur immer diese komischen Flecken auf den Geldscheinen
kämen.
Inzwischen hatte er sich auch ein paar neue Playboyhefte
angeschafft. Er suchte sich ein besonders schönes Playmate heraus,
breitete es der Länge nach neben sich auf dem Bett aus und umrahmte es
liebevoll mit Tausendmarkscheinen.
»Da guckst du, was?«, fragte er lüstern.
Sie guckte tatsächlich höchst erregt.
»Ich soll's dir wohl besorgen, stimmt's?«
Sie sah aus, als hätte sie nichts dagegen.
»Aber erst willst du Bares sehen, hab ich Recht?«
Sie blickte ihn aus ihren verhangenen Augen an, als könnte sie
gerade davon nie genug kriegen.
»Heut hab ich besonders viel dabei«, frohlockte Xavier. Er
nahm noch ein paar Geldstapel aus dem Koffer und steckte sie sich vorn
in seine Unterhose, bis er eine gewaltige Ausbuchtung geschaffen hatte.
»Da! Siehst du das? Das macht dich wohl total an, was?«
Als er unter dem Bett nach der Küchenrolle suchte (für Mutti
litt er an nächtlichem Dauerschnupfen), hörte er vor der Tür ein
Geräusch. Entsetzt warf er sich aufs Bett zurück und riss die Decke
über sich, das Playmate und den Geldkoffer.
Mutti kam ins Zimmer, schon im Nachthemd und mit
Lockenwicklern, das Gesicht missbilligend verzogen. Xavier fragte sich
bedrückt, ob er es je fertig bringen würde, sie zu bitten, vor dem
Reinkommen anzuklopfen. Wahrscheinlich nicht. Schließlich war sie fast
vierzig Jahre lang ohne ausgekommen und würde nicht verstehen, warum
sie auf ihre alten Tage noch damit anfangen sollte.
»Was hast du da unter der Bettdecke?«, fragte sie streng.
Xavier schluckte. »Nichts, Mutti.«
Mutti kam näher und baute sich neben dem Bett auf. »Schwindel
mich nicht an. Ich weiß genau, dass du da wieder ein Buch versteckt
hast.«
»Tut mir Leid, Mutti!«, sagte er zerknirscht.
Sie wiegte nachsichtig den Kopf. »Junge, du sollst doch abends
nicht so lange lesen. Das ist nicht gut für die Augen. Außerdem kommst
du dann morgens immer so schlecht aus dem Bett.«
Sie beugte sich über ihn, steckte um ihn herum die Decke fest
und küsste ihn auf die Stirn. »Gute Nacht, schlaf schön, mein Junge.«
»Gute Nacht, Mutti.«
Mutti fuhr ihm über den Kopf, machte das Licht aus und zog
beim Rausgehen leise die Tür hinter sich zu.
Xavier machte im Dunkeln weiter, unter der Bettdecke. Er hatte
ja dort alles beisammen, was er brauchte.
Floras erzürntes Gesicht war nur einen Meter
von der Fensterscheibe entfernt. Sie saß in dem Apfelbaum, der unter
Xaviers Schlafzimmer wuchs, und sie hatte alles nur zu gut mitbekommen,
bis zu dem Moment, als die Alte mit den Lockenwicklern das Licht
ausgeknipst hatte. Dieser perverse kleine Wichser! Holte sich mit ihrem
Geld einen runter! Floras Zorn kannte keine Grenzen. Nach
stundenlangem, strammem Fußmarsch durch schlammige Niederungen, dicht
bewachsene Böschungen und schotterübersäte Straßengräben hatte sie bis
zum Einbruch der Dunkelheit schreckliche Stunden hinter stachligen
Hecken, kratzigen Bäumen, zugigen Buswartehäuschen und stinkenden
Mülltonnen verbracht, wohlgemerkt ohne einen einzigen Bissen Nahrung,
und jetzt auch noch das!
Früher, im Krieg, dachte Flora, haben Frauen das auch gemacht.
Hochschwanger und schwach vor Hunger waren sie durch Felder
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