Ich schreib dir morgen wieder
nicht entdeckt haben. Gerade als mein Herz wieder zu seinem normalen Rhythmus zurückgefunden hatte, begann das Summen erneut. Langsam tastete ich mich an der Mauer weiter, strich mit der Hand über den grauen Stein und fühlte Spinnweben, krümeligen Stein, glatte und raue Stellen unter meinen heißen Fingern. Dann war die Mauer jäh zu Ende, und als ich aufblickte, sah ich vor mir einen großen, kunstvoll verzierten Torbogen, der den Eingang überwölbte.
Vorsichtig streckte ich den Kopf hindurch, denn ich wollte nicht, dass die geheimnisvolle Summerin mich entdeckte. Vor meinen Augen erstreckte sich ein makellos gepflegter Garten. Ich konnte einen Rosengarten ausmachen, große geometrisch gestaltete Beete, dahinter Kletterrosen in voller Blüte, die den Pfad, der zu einem anderen Tor führte, auf beiden Seiten säumten. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und trat ein Stück weiter vor, denn ich brannte darauf, den Rest des Gartens zu sehen. Im Zentrum waren noch mehr Blumen – Geranien, Chrysanthemen, Nelken und noch viele andere Sorten, deren Namen ich nicht kannte. Blumen quollen aus Hängekörben und riesigen Steintöpfen am Rand des Hauptwegs, der sich quer durch den Garten zog. Ich war überwältigt von dieser kleinen bunten Oase im Grün des Waldes, die aussah, als hätte jemand inmitten der bröckelnden Mauern eine Flasche geöffnet, aus der die ganze Farbenpracht herausgesprudelt war und sich überall verteilt hatte. Bienen flogen von Blüte zu Blüte, Kletterpflanzen rankten sich neben wunderschönen Blumen an der Mauer empor, und aus einem Kräutergarten wehte mir der Duft von Rosmarin, Lavendel und Minze entgegen. Ganz hinten erkannte ich ein kleines Gewächshaus, daneben etwa ein Dutzend Holzkästen auf Gestellen. Und dann merkte ich auf einmal, dass meine Neugier die Oberhand gewonnen hatte und ich, ohne es zu merken, einfach in den Garten hineingewandert war. Das Summen der Frauenstimme war verstummt.
Ich war nicht sicher, was mich hier erwartete, aber auf den Anblick, der sich mir bot, war ich ganz sicher nicht gefasst. Ganz am anderen Ende des Gartens entdeckte ich endlich den Ursprung des Summens, und die Gestalt, die mich von dort anstarrte, als käme ich von einem anderen Stern, trug eine Art Raumanzug: Ihr Kopf war von einem schwarzen Schleier bedeckt, die Hände steckten in Gummihandschuhen und die Füße in wadenhohen Gummistiefeln. Sie sah aus, als wäre sie gerade aus ihrem Raumschiff gestiegen und mitten in einer Nuklearkatastrophe gelandet.
Mit einem nervösen Lächeln winkte ich ihr zu. »Hi! Ich komme in Frieden.«
Wie zu einer Salzsäule erstarrt, musterte mich die Gestalt, ohne ein Wort zu sagen. Da ich nervös war und mich ziemlich unbehaglich fühlte, griff ich zurück auf das, was ich in solchen Fällen immer tat.
»Was glotzen Sie denn so?«
Wegen des Darth-Vader-Helms konnte ich nicht erkennen, wie das bei der Gestalt ankam. Sie glotzte weiter, und ich rechnete schon halb damit, dass sie mir erzählen würde, ich wäre Luke und sie mein Vater.
»So, so«, sagte die Gestalt dann auf einmal in freundlichem Ton, als wäre sie plötzlich aus ihrer Trance erwacht. »Ich wusste doch, dass ich einen kleinen Gast habe.« Langsam nahm sie ihre Kopfbedeckung ab, und ich sah, dass sie viel älter war, als ich gedacht hatte. Bestimmt schon über siebzig.
Dann kam sie auf mich zu, und ich wunderte mich im ersten Moment ein bisschen, dass sie sich nicht mit schwerelosen Riesenschritten auf mich zubewegte. Ihr Gesicht war runzlig, sehr runzlig sogar, die Haut nach unten gesackt, als hätte die Zeit sie geschmolzen. Aber ihre blauen Augen glitzerten wie die Ägäis in der Sonne und erinnerten mich an einen Tag auf Dads Yacht, als das Meer so klar war, dass man unter der Wasseroberfläche den Sandboden und Hunderte bunter Fische sehen konnte. Aber in ihren Augen war nichts dergleichen, denn sie waren so durchscheinend, dass sie praktisch das gesamte Licht reflektierten. Dann zog sie ihre Handschuhe aus und streckte mir die Hände entgegen.
»Ich bin Schwester Ignatius«, begrüßte sie mich mit einem Lächeln, ergriff meine Hand und hielt sie zwischen ihren beiden Händen fest. Trotz der Wärme und obwohl sie dicke Handschuhe getragen hatte, waren sie so glatt und kühl wie eine Glasmurmel.
»Sie sind eine Nonne!«, platzte ich heraus.
»Ja«, lachte sie. »Ich bin eine Nonne. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich eine geworden bin.«
Jetzt war ich mit Lächeln an der Reihe,
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