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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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Mann vom ADAC händigte Sara die Quittung über den Audi aus, prüfte ein letztes Mal, ob das Auto sicher auf dem Hänger vertäut war, und fuhr los. Wie in Trance blickte sie dem in der Dunkelheit grell orange blinkenden Fahrzeug nach, doch es war nicht die Angst vor Ronnies Reaktion, die sie steif in der Kälte verharren ließ, sondern die Verzweiflung ihres Unfallgegners, die ihr in den Knochen steckte und sie lähmte. Sie hörte immer noch seine Stimme: Das ist ein Totalschaden! Wissen Sie, was ich dafür von der Versicherung kriege? Dreihundert Euro. Vielleicht dreihundertfünfzig. Wenn ich Glück habe, genug für ein gebrauchtes Fahrrad. Wie soll ich jetzt als Kurier arbeiten? Zu Fuß?
    Zum Glück hatte sie seine Karte. Sie würde ihm helfen, einen Ersatzwagen zu bekommen, selbst wenn sie die Differenz aus ihrer eigenen Tasche bezahlen müsste. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie kein Geld hatte, zumindest keine tausend Euro, zumindest nicht jetzt. Vielleicht nächsten Monat, wenn sie ihr erstes Gehalt von Nova bekam, aber das benötigte sie jetzt für Jonas und sich selbst. Sara seufzte. Wollte sie dem Mann helfen, musste sie Ronnie um Unterstützung bitten.
    Sie überlegte, was sie mit der knappen Stunde anfangen sollte, bis sie Jonas vom Fußballverein abholen musste. Zum Geschenke-Einkaufen hatte sie keine Lust mehr, und um nach Hause zu fahren, war die Zeit zu knapp. Unschlüssig setzte sie sich in Bewegung. Vor dem Schaufenster des türkischen Supermarkts blieb sie stehen. Das musste der Supermarkt sein, der Suphies Mann gehörte. Plötzlich wusste sie, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte.
    Sie wurde immer schneller, fast schon im Laufschritt bog sie in die nächste Straße ein und steuerte auf den KulturLaden zu. Soweit sie sich erinnern konnte, war Valeska ab sechs dort, um die Gruppensitzung vorzubereiten. Vielleicht konnte sie Sara mit Grossmanns Mord weiterhelfen. Und wenn nicht, dann konnte sie ihr wenigstens einen Rat geben, was Ronnie betraf.
    Rechts neben dem Tattooladen lief sie in die Einfahrt. Eine Mischung aus Küchendüften und Moder lag in der Luft, das schwache Licht, das aus den wenigen beleuchteten Fenstern schien, verbreitete eine gespenstische Atmosphäre. Als Sara den Hinterhof erreichte, hatte sie den Eindruck, dass in einer Nische auf der anderen Seite ein roter Punkt im schwarzen Nichts aufglomm. Wie ein Zombie, der sich nachts mit rot glühenden Augen auf sein Opfer stürzte, dachte sie. Fast panisch rannte sie die letzten Schritte zur Tür und riss sie auf. Du Schisser ! Doch sie konnte das bedrohliche Gefühl, das sie eben beschlichen hatte, nicht abschütteln. Irgendetwas stimmte nicht. Sie wollte nach Valeska rufen, aber mehr als ein heiseres Krächzen brachte sie nicht heraus.
    Sie trat in den hell erleuchteten Veranstaltungssaal. Die Tür des Büros stand sperrangelweit offen, der Bildschirm leuchtete bläulich, aber es war niemand da. Auch die Küchennische war leer.
    »Hallo?«, rief sie. »Valeska? Ist hier jemand?«
    Sie blieb kurz im Übergang von der Kochnische zum Saal stehen und überlegte, ob sie wieder gehen sollte. Überall brannte Licht.
    Plötzlich knackte es hinter ihr. Sie drehte sich um und erstarrte.

43
    Lydia ließ das Messer sinken.
    »Sara! Hast du mich erschreckt! Was machst du hier? Die Stunde fängt erst um sieben an.« Angestrengt versuchte sie, ihren rasenden Puls wieder unter Kontrolle zu bringen. Reiß dich zusammen! Wie kannst du nur so blöd sein! Paranoid! Als ob ER nach dir rufen würde … Du fängst an, Fehler zu machen. Vergiss nicht, Fehler können tödlich sein.
    Sie bemerkte, wie Sara mit weit aufgerissenen Augen vom Messer in der einen, zur Perücke in der anderen Hand blickte. Mit einer geschickten Bewegung schloss Lydia das Klappmesser und ließ es in einer Seitentasche ihrer Cargohose verschwinden.
    »Was ist mit deinem Auge? Und die Perücke?«, stammelte Sara. »Was soll das?«
    Lydia fasste sich an ihr Auge und erinnerte sich, dass sie erst eine der grünen Linsen eingesetzt hatte. »Oh … So sehe ich ziemlich blöd aus. Warte. Einen Augenblick.«
    Sie verschwand hinter der Tür mit der Aufschrift WC, setzte mit geübten Fingern die zweite Linse ein, zog die Perücke auf und eilte zurück zu Sara, die noch immer regungslos in der Kochnische stand.
    »Besser so?«
    »Was soll das?« Sara sah aus, als hätte sie ein Gespenst vor sich. »Warum verkleidest du dich? Wer bist du wirklich?«
    »Valeska natürlich, wer sonst.« Sie

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