Ich sehe was, was du nicht siehst
wissen. Mit ihrer Sturheit schadet sie sich nur selbst. Nur weil sie unschuldig ist, glaubt sie, dass ihr nichts passieren kann und sie sich keine Sorgen zu machen braucht.«
Casey zog eine Augenbraue hoch. »Rein theoretisch hat sie recht. Die Unschuldsvermutung gilt, bis die Schuld bewiesen ist.«
»Erzähl das mal all den Leuten, die unschuldig im Gefängnis sitzen.« Er drehte sich wieder zur Glasscheibe und zog eine Grimasse, als er ihre schnippische Antwort auf eine der Fragen hörte, die der Polizist ihr stellte. »Bis das hier vorbei ist, begeht sie wirklich noch einen Mord. Alles andere würde an ein Wunder grenzen.«
Madison verkrampfte die Hände unter dem zerkratzten Holztisch, an dem sie saß. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um dem Polizeibeamten, der ihr gegenübersaß, keine Ohrfeige zu verpassen. Aber da es hier vor allem darum ging,
nicht
im Gefängnis zu landen, schien ein tätlicher Angriff auf einen Polizisten nicht ratsam.
Ganz egal, wie befriedigend es gewesen wäre zu sehen, wie das Grinsen aus seinem Gesicht verschwand.
Lieutenant Hamilton hatte sie bereits vernommen. Jetzt saß sie einem weiteren Polizisten gegenüber, der ihr wieder und wieder dieselben Fragen stellte.
Ihre Geduld schwand mit jeder sich wiederholenden Frage ein bisschen mehr. Langsam verstand sie, wieso manche Leute Verbrechen gestanden, die sie nicht begangen hatten: Irgendwann tat man alles, damit die Fragerei aufhörte.
Sie sah hinüber zu dem schwarzen Rechteck aus Glas, das die halbe Wand einnahm. Wurde sie durch die Glasscheibe hindurch beobachtet? Höchstwahrscheinlich, und wenn sie hätte wetten müssen, dann hätte sie auf Hamilton getippt, der dort bestimmt die kleinste Regung in ihrem Gesicht beobachtete. Ganz offensichtlich hatte er ihr ihre Geschichte nicht geglaubt.
»Mrs McKinley? Würden Sie jetzt bitte meine Frage beantworten?«
Sie ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass ihre Fingerknöchel schmerzten, zwang sich zu einem Lächeln und konzentrierte sich auf den jungen Polizisten, der vor ihr saß. »Tut mir leid. Könnten Sie die Frage noch einmal wiederholen?«
»Ich habe Sie gefragt, wie lange Sie schon verwitwet sind. Wann ist Ihr Mann gestorben?«
Bei der neuen Richtung, in die seine Fragen gingen, zog sich ihr der Magen zusammen. »Warum ist das wichtig?«
»Das sind nur Hintergrundfragen, die helfen sollen, ein vollständiges Bild zu erhalten. Das übliche Verfahren, Ma’am.«
Sie atmete tief ein. »Er ist jetzt schon länger als ein Jahr tot, fast eineinhalb Jahre.«
Er kritzelte etwas in den Notizblock, der vor ihm lag. »Wie ist er gestorben?«
Sie sah zu der Wasserflasche, die vor ihr auf dem Tisch stand. Nach dem ganzen sinnlosen Gerede war ihr Mund ganz trocken, und sie hätte gern einen Schluck getrunken. Andererseits wollte sie keinesfalls in die Situation kommen, dass sie dringend auf die Toilette musste, was man ihr dann verweigern würde. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte bemüht. »Damon ist bei einem tragischen Autounfall umgekommen.«
»Tragisch? Inwiefern?«
»Man sollte doch meinen, dass Todesfälle immer tragisch sind, Detective. Mein Mann war erst fünfunddreißig Jahre alt. Er hat in einer Kurve die Kontrolle über seinen Wagen verloren und ist von der Straße abgekommen. Es gab ein Feuer.« Sie fröstelte, als sie an den Polizisten zurückdachte, der in ihrer Wohnungstür gestanden und ihr von dem Umfall erzählt hatte.
Und dann war da dieses überwältigende Gefühl der Erleichterung gewesen.
»Können Sie mir etwas über die Identität der zweiten Leiche sagen, die hinter Ihrem Haus gefunden wurde?«
Sie musterte ihn ungläubig. »Ich habe sowohl Lieutenant Hamilton als auch Ihnen schon mindestens zweimal gesagt, dass ich es nicht weiß. Wie wäre es, wenn Sie mir mal eine Frage beantworten? Warum sollte ich wohl eine Baufirma anheuern, damit sie meinen Garten umgräbt, wenn ich dort ein paar Leichen verscharrt hätte? Wäre das nicht absolut idiotisch?«
Er tippte mit seinem Stift auf einem Stück Papier herum. »Vielleicht war Ihnen nicht klar, wie tief das Bauunternehmen würde graben müssen, um das Fundament zu legen. Beton auf das Grab eines Opfers zu gießen ist eine großartige Methode, wenn man verhindern will, dass eine Leiche gefunden wird.«
Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Eines würde mich ja wirklich interessieren. Hat einer von Ihnen auch nur versucht, Nachforschungen zu meiner Entführung anzustellen? Haben
Weitere Kostenlose Bücher