Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga

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verschwindend gering war. Er achtete nicht weiter auf Howie und schlich im Dunkeln voran, bis er die Stelle gefunden hatte, nach der er suchte. Er warf einen Blick über die Schulter; nur zwanzig Meter entfernt, in der Richtung, in die er jetzt blickte, hatte er sich am Tag zuvor versteckt und die Polizei beobachtet. Er stand jetzt exakt dort, wo Deputy Erickson gestanden war, nicht ahnend, dass Jazz ihn beobachtete. Wie ihm jetzt klar wurde, hatte Erickson während der Arbeit der Ermittler von hier den besten Blick auf das gesamte Gelände gehabt.
    » Vielleicht hat er die Gegend einfach erkundet«, sagte Jazz. » Die Zufahrtsstraße ist auf keiner Karte verzeichnet, aber vielleicht sieht man sie auf Google Earth oder so. Das muss ich noch überprüfen.«
    » Niemand kennt die Frau, sie ist also nicht von hier«, sagte Howie. » Er hat sie irgendwo anders getötet und einfach hier bei uns abgeladen. Der Highway ist in dieser Richtung.« Er zeigte nach links. » Und die Farm ist dort«, jetzt deutete er nach rechts, » damit ist klar, dass er nicht aus dieser Richtung gekommen ist. Dann klingt es doch einleuchtend, dass er auf dem Highway vorbeigefahren ist, dieses hübsche leere Feld gesehen und gedacht hat: Ah, cool – ich lasse die Leiche hier. Richtig?«
    Jazz blinzelte. Natürlich. Er war ein Idiot. Er hatte die Antwort die ganze Zeit vor sich gehabt!
    » Er ist den Hügel heraufgekommen«, flüsterte er.
    » Wie bitte?«
    Immer noch in der Hocke deutete Jazz den Anstieg hinunter, an der flachen Stelle vorbei, wo man die Leiche gefunden hatte, zu einem geringfügig steileren Stück, das zu einer Baumgruppe hin abfiel. » Dieser Bursche ist kein Dummkopf. Er wusste, dass die Polizei von zwei Annahmen ausgehen würde, genau wie du: dass er vom Highway kam oder von der Zufahrtsstraße. Schau– von hier sieht man, wo die Polizei ihre systematische Suche durchgeführt hat, und sie sind nur den Hang heraufgekommen, nach links und in unsere Richtung. Weil dort die Straßen sind, weil es dort am leichtesten ist. Der Weg des geringsten Widerstands. Wenn du eine Leiche trägst, trägst du sie lieber bergauf oder bergab?«
    » Ich persönlich?«, sagte Howie. » Also ich trage alle meine Leichen bergab. Besser für den Rücken.«
    » Richtig. Forensik für Anfänger. Wer eine Leiche entsorgt, geht bergab. Aber dieser Typ…« Jazz stand auf und klatschte in die Hände. » Ich garantiere dir, er ist von diesen Bäumen dort heraufgekommen. Weil er wusste, dass es der Polizei nicht einfallen würde, dort zu suchen. Komm mit.«
    Sie liefen in einem weiten Bogen den Anstieg hinunter, um den Fundort nicht zu kontaminieren. Am Fuß des Hügels blieb Howie stehen und blickte zu den Bäumen vor ihnen. » Das ergibt keinen Sinn. Wie soll er überhaupt bis dorthin gekommen sein? Es gibt keine Straße, es gibt kein…«
    » Ich weiß es nicht«, sagte Jazz und hob die Stimme vor Aufregung, dann rannten sie im Schein des Monds über das restliche Stück Feld. » Aber ich weiß, dass es so war. Ich weiß es!« Sein Herz hämmerte nicht nur von der Anstrengung des Laufens. Da war noch etwas Tieferes, etwas Ursprüngliches. Noch wusste er nicht, was es war, aber es gefiel ihm.
    Nach wenigen Augenblicken hatten sie die Baumlinie erreicht. Jazz ermahnte Howie, vorsichtig zu sein, und schwenkte eine Taschenlampe über den Boden und die Baumstümpfe. Howie beschwerte sich, bis ihm Jazz ebenfalls eine Taschenlampe gab, und bald schlichen die beiden zwischen den Bäumen umher und beleuchteten Wurzeln, Moos und Gestrüpp mit den Strahlen ihrer Lampen. Plötzlich blieb Jazz abrupt stehen und machte Howie ein Zeichen, ebenfalls anzuhalten. » Psst!«, zischte er. » Sag nichts!«
    » Ich habe nichts gesagt.«
    » Jetzt eben hast du es.«
    » Ja, aber nur weil du…«
    » Jetzt sei einfach still und horch!« Jazz fuchtelte zur Bekräftigung wild mit der Hand, und Howie verstummte. Sie standen beide da und lauschten angestrengt.
    » Hört du es?«, flüsterte Jazz.
    » Was meinst du? Alles, was ich höre, ist der Bach. Was hörst du denn, du Superlauscher?«
    » Genau. Der Bach.« Ein Grinsen zog über Jazz’ Gesicht. Er leuchtete Howie an, damit er beobachten konnte, wie der Groschen fiel. » Und wo führt der Bach hin?«
    » Wo er hinführt?« Howie runzelte die Stirn. Wie die meisten Kinder in Lobo’s Nod hatte er in dieser Gegend gespielt, als er noch jünger war. » Er führt nirgendwohin. Er fließt durch die Farm und dann weiter nach