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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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Die Worte fuhren wie ein Blitz durch meinen Körper. Ich war wie gelähmt und verpasste beinahe den Moment, in dem wir auf die Bühne mussten.
    Als ich am Abend nach Hause kam, heulte ich vor Wut. Jahrelang trug ich seine Verachtung mit mir herum. Aber wie wir wissen, trifft man sich immer zweimal im Leben. Als ich Ende der Achtzigerjahre einen Stückvertrag in Stuttgart hatte, traf ich Heinz Clauss wieder. Er war dort Ballettmeister geworden und eines Morgens stand er mit mir an der Straßenbahnhaltestelle. Darauf hatte ich jahrelang gewartet! Beim Einsteigen wählte ich ganz bewusst denselben Wagen wie er, sagte Guten Tag und verwickelte ihn in ein Gespräch. »Wissen Sie, Herr Clauss, ich bin jetzt Schauspielerin geworden …«– »Aber, Eveline, du musst mich doch nicht siezen«, unterbrach er mich. »Oh doch – erinnern Sie sich nicht, 1963, hinter der Bühne? Heinz und Sie!« Es war ihm sichtlich unangenehm, daran erinnert zu werden, aber er zeigte Größe: Er entschuldigte sich und wünschte mir alles Gute. Beim Aussteigen drehte er sich noch einmal um, und während die Bahn schon wieder anfuhr, winkte er mir zu. Da fiel die alte Demütigung von mir ab und ich war endlich versöhnt mit ihm.
    In den drei Elevinnenjahren biss ich die Zähne zusammen und versuchte, den psychischen Kampf irgendwie zu ertragen. Der Druck war enorm hoch, immer hatte ich Angst zu versagen. Wie gern hätte ich die schönen Augenblicke genossen. Ich stehe auf der Bühne, der Taktstock hebt sich, ich fange an zu tanzen und alle schauen mich an. Was für ein Moment! Doch ich hatte immer Angst. Angst, dass es nicht reichte, Angst, dass alle sagten: Das war schlecht. Haben wir jagleich gesagt. Warum musste er auch eine Elevin nehmen? Das Gefühl, nicht zu genügen, nistete sich in mir ein und hemmte mich, mich bis ins Letzte zu entfalten. Ich habe es nie geschafft, mich vollkommen frei zu tanzen und meinen eigenen Ausdruck zu entwickeln. Die Blicke und Bemerkungen der anderen schnürten mich förmlich ein. Die Einzigen, die mir die Kraft zum Durchhalten gaben, waren van Dyk und Liebermann – meine Mentoren, die hinter mir standen – und meine Eltern, die zu Hause alle meine Sorgen auffingen.
    Eines Tages, die Schwanensee- Premiere rückte näher, rief van Dyk mich nach der Probe zu sich. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Bestimmt hatten die anderen, die sich das Maul über mich zerrissen, ihn überzeugt und nun musste ich die Rollen wieder abgeben. Mit weichen Knien schlich ich an seine Tür und klopfte an. »Kommen Sie doch herein«, rief er mir freundlich entgegen und rückte mir einen Stuhl zurecht. Ich platzte gleich damit heraus: »Ich bin nicht gut genug für den Pas de trois, nicht wahr?« – »Um Gottes willen, es geht hier nicht um Ihre Arbeit. Davon sind alle vollkommen begeistert. Es geht um Ihren Namen.« – »Um meinen Namen? Das verstehe ich nicht.« – »Na ja, ich habe gestern mit Herrn Liebermann gesprochen und er meint, dass der Name Klopsch … na ja … eine Tänzerin, die Klopsch heißt, ist ein bisschen so wie eine Sängerin, die Schreihals heißt. Sie sind ja dieses Mal als Solistin namentlich aufgeführt. Herr Liebermann meint, es wäre gut, wenn Sie sich zur Premiere einen anderen Namen zulegten.« – Ich war völlig schockiert. Mein Name gehörte doch zu mir. Eveline Klopsch, das war ich. – Van Dyk spürte meine Verunsicherung und versuchte, die Sache ein wenig zu mildern: »Ich gebe Ihnen ja nur wieder, was Herr Liebermann gesagt hat. Schlafen Sie mal drüber. Erzählen Sie es Ihren Eltern. Und dann sehen wir weiter.«
    Mit hängenden Schultern kam ich nach Hause. Meine Mutter sah gleich, dass etwas nicht stimmte: »Na, Püppi, was ist los?« – »Ich soll meinen Namen ändern. Liebermann meint, eine Tänzerin kann nicht Klopsch heißen.« – »Ick seh überhaupt nich, dat det n Anlass is für Trauer«, sagte mein Vater. Er nahm die Sache mal wieder mit Humor und dachte auch gleich weiter: »Da müssen wa mal überlejen, welcher Name passen könnte. Auch fürs Ausland, wenn de da mal n Auftritt hast. Det muss n Name sein, den jeder Idiot aussprechen kann.« Schon sprudelten die Ideen: »Det müsste so wat sein wie Mango … oder Fango … so wat wie Aldo … Eveline Aldo! Aldo heißen wir jetzt.« Und so war der neue Name besiegelt, bei Kotelett und Bratkartoffeln.
    Am nächsten Tag gab ich im Büro offiziell den neuen Namen an und nun stand er, für alle lesbar, auf dem Besetzungsplan. Die ganze

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