Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Chance. »Dir ist ja wohl klar, dass ich hier nicht bleiben kann«, sagte ich. »Ich gehe zurück nach Hause und du kommst mit.« David war sofort einverstanden. Nach Hamburg, ein neues Leben, das schien die beste Lösung.
Las Vegas war ein einziges Abenteuer, ich hatte es ausgekostet bis zum Exzess. Die großen Dinge, die ich erlebt habe, Gefühle und Gefahren – sie haben sich hier abgespielt. Für keine andere Stadt wird mein Herz jemals so schlagen. Heute denke ich mit Sehnsucht an das Glitzern, das Blinken und Flimmern. Damals aber, im September 1973, war ich fertig mit Las Vegas. My time was done. I was done.
Girls, Girls, Girls
»Ich höre mit den Drogen auf«, sagte David, als wir unsere Koffer packten. Von einem Tag auf den anderen war Schluss. Er konnte das. Außerdem war klar: Das Zeug brachte nur Ärger, in Deutschland waren seine Pillen verboten und er hätte sich neue Dealer suchen müssen. Aufzuhören war für ihn nur logisch. Und die Logik war sein bester Freund, auch wenn sie ihn immer öfter im Stich ließ. Als sie ihn schließlich ganz verließ, mussten auch wir uns trennen.
Im September 1973 trafen wir in Hamburg ein. Ich hatte mein Erspartes auf dem Konto, doch keinen Job und keinen Plan. David sprach kein Wort Deutsch und kannte nur meine Familie. Die freute sich unheimlich auf ihn, von unseren Szenen ahnten sie nichts. Zuerst wohnten wir bei meinen Eltern. Die umsorgten ihn den ganzen Tag, damit es ihm bloß gut ging, dem Mister Hall. Er hatte sich ja in Amerika auch so für sie ins Zeug gelegt. Mama und Papa kochten für uns und setzten sich am Nachmittag zum Kaffee mit David zusammen. Bei einer dieser Runden gab er auch noch das Rauchen auf. Er qualmte dreißig Zigaretten am Tag, und nun schaute er meine Mutter an, drückte seine Kippe aus und sagte: »Gisela, das war die letzte. Nie wieder fass ich eine an.« Er konnte das. Er merkte, seine Lunge litt, und ließ es einfach bleiben. Allein dafür fand ich ihn wieder toll. Er war ein toller Kerl, er hatte einfach Eier in der Hose.
Und hochbegabt war dieses Viech, in Windeseile lernte er Deutsch. Las jeden Tag die Bild -Zeitung, sprach viel mit meinen Eltern und nach einem Jahr hatte er die Sprache drauf. Mein Vater arbeitete immer noch beim NDR und vermittelte ihm dort einen Job als Synchronsprecher beim Film. Das konnte er, von Deutsch zu Englisch, kein Problem. Weil David so viel las, beherrschte er seine Sprache perfekt. Doch eigentlich traute er sich alles zu. »Ich kann jeden Job, den ich wirklich will«, sagte er. Und zu Recht.
Das macht die Amerikaner aus. Wir Deutschen gehen auf in unserem Beruf, den haben wir gelernt und den wollen wir ein Leben lang behalten. Ein Job aber ist kein Beruf. Er bedeutet arbeiten, mal hier, mal da. Amerikaner sehen das sehr locker und natürlich, vermutlich weil die wenigsten überhaupt eine Chance haben, ihr Leben lang einer Profession nachzugehen. Dafür machen sie, was sie gerade interessiert und was sie über die Runden bringt. Ob daraus mehr entsteht, wird man sehen. Vielseitig sind sie obendrein, das steckt in ihrer Selfmadekultur. Am Lido gab es Bühnenarbeiter, die bauten nicht nur Wasserfälle, sondern tischlerten auch und lernten mit jeder Show etwas Neues dazu. Sie bauten ihre Fähigkeiten aus und konnten bald alles professionell. Genauso war David, und auch ich hatte es mir angeeignet, dieses Pragmatisch-Amerikanische: Neues beginnen, mich reinknien, lernen, professionell werden. Das hat mich tief beeindruckt, und ich nahm mir vor, es künftig ebenso zu halten. Wer weiß, was das Leben noch von mir fordern würde? Schon einmal hatte ich vor dem Nichts gestanden, und dieser amerikanische Weg, so optimistisch und flexibel, war perfekt, um neu anzufangen.
Meine erste Chance kam schnell. Wir waren kaum eine Woche in Hamburg, da sagte Kurt: »Ich habe was gehört, Püppi!« Der Freund von einem Kollegen choreografiere getanzte Modenschauen. Da könne ich doch mitmachen. Ich konnte mir wenig darunter vorstellen, suchte aber gleich diesen Menschen auf. Gefragt waren Tänzerinnen, möglichst groß, viele der Mädchen, die sie engagierten, kamen vom Lido aus Paris. Ich war also perfekt für diesen Job. Sie buchten mich für eine Show in München, wo wir Pelze vorführten von Dieter Zoern, einem Hamburger Kürschner und Designer. Zoern betrieb seit fünf Jahren sein eigenes Geschäft und galt schon als Star unter den Pelzcouturiers.
Wir hatten drei, vier Tage für die Vorbereitung. Das fand
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