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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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»und es reicht schon für uns zwei.« – »Aber nicht so, wie ich mir das vorstelle«, sagte ich. »Ich geh ja nicht mal mehr Kaffeetrinken, das kostet schnell zehn Mark.« Ich war verzweifelt, richtig verzweifelt. So abhängig zu sein fand ich furchtbar. Schon mit sieben Jahren hatte ich bei meinen Opernauftritten Geld dazuverdient. Solange ich denken konnte, stand ich auf eigenen Füßen, und nun war ich zum ersten Mal in meinem Leben mittellos. Ich gönnte mir gar nichts und ging kaum aus dem Haus. Doch drinnen wurde ich hibbelig und nervös. Mami versuchte, mich in die Innenstadt zu locken und mir mit Geschenken eine Freude zu machen, aber ich flüchtete aus den Geschäften. Es war mir immer schwergefallen, etwas anzunehmen, von meiner Mutter nun erst recht.
    Einkaufen ging ich nur im Supermarkt bei uns um die Ecke. Ich zog unseren kleinen Hackenporsche hinter mir her und besorgte das wenige, was wir zwei brauchten. Weil ich kaum mehr im Portemonnaie hatte als das Wechselgeld, geriet ich schnell in Schwierigkeiten. Wie an diesem furchtbaren Tag, als ich den falschen Bus nahm. Ich merkte es erst nach etlichen Stationen, stieg wieder aus und wartete auf den Bus in die Gegenrichtung. Als der endlich kam, hatte ich meine Fahrkarte verloren – und kein Geld mehr für eine neue. Völlig fertig ging ich zu Fuß nach Hause. Es war nicht mehr zu leugnen: Ich steckte richtig in der Patsche.
    Das Einzige, woran ich mich klammern konnte, waren meine Mutter und mein Tagesablauf. Mami besorgte mir sofort einen Kabelanschluss und einen passenden Fernsehapparat, damit wir englische und französische Sender empfingen. Täglich schaute ich stundenlang meine Lieblingssendungen: Nachrichten, Dokumentationen, Theateraufzeichnungen auf TV 5 Monde, BBC und CNN . Dieses Fenster zur Welt war meine Rettung, als ich mich so gefangen fühlte. Wie früher, wenn die ganze Familie sich um den Fernseher scharte, fühlte ich mich als Teil der großen Politik. Am liebsten sah ich Christiane Amanpour auf CNN bei ihren Reportagen. Für mich ist sie die beste Journalistin der Welt und eines meiner größten Idole. Ich würde sie zu gern kennenlernen. Wie sie durch Krisengebiete fährt, mit Menschen umgeht und sie zum Reden bringt – das ist ganz groß. Ich sog alle Eindrücke auf und bildete mir eine Meinung. Und sobald die Sendung vorbei war, spielte ich Interview mit mir selbst, auf Englisch oder Französisch: »Was halten Sie vom neuen russischen Präsidenten Wladimir Putin?« Ich dachte mir Fragen und Antworten aus und nagelte mich auf meinen Standpunkt fest.
    So halte ich es bis heute. Politische Themen beschäftigen mich und diese Monologe zwingen mich zum Sprechen. Ich brauche das, gerade als Schauspielerin, denn nur zu lesen bringt mir nichts. Ich muss meine Stimme hören und die Aussprache üben , à voix haute . Ich will das Englische und Französische in mir lebendig halten, wofür auch immer. Vielleicht werde ich irgendwann einen Film im Ausland machen. Womöglich werde ich eines Tages selbst interviewt. Um gewappnet zu sein, übe ich seit dieser Zeit meine Sprachen, jeden Nachmittag, wenn Mami schläft.
    Wenn wir damals zusammensaßen, wollte ich reden, und zwar ganz offen. Ich sagte zu Mami: »Du darfst mir das bitte nicht übel nehmen, aber ich bin nicht wie du. Ich muss über alles sprechen.« So viele Jahre war ich fort gewesen, so vieles von Michael wusste ich nicht. Meiner Mutter fiel das schwer. Sie ist nicht der Mensch, der viel über Gefühle redet. Es brauchte Monate und ich habe ihr die Zeit gegeben. Jeden Tag saßen wir auf dem Sofa und allmählich kam sie ins Erzählen. Was diese Frau in sich reingefressen hatte! Alles versuchte sie mit sich allein auszumachen. Doch je mehr sie sich öffnete, desto besser konnte ich sie trösten. »Wir müssen das jetzt sachlich sehen«, sagte ich. »Nimm die Jahre, die du mit Schiepchen hattest und die er dich lieb gehabt hat. Die bleiben dir. Und nun stell dir vor, er hätte es nicht geschafft, sich das Leben zu nehmen.« Das war mein Szenario: Er hätte nur noch in ihrer Wohnung gesessen, Bier getrunken und seine sechzig Zigaretten am Tag geraucht. »Du hättest alles tun müssen, was er wollte, denn du hättest ein unglückliches Kind vor dir gehabt.« Er hätte immer weiterspielen wollen. »Jedes Mal, wenn du ein bisschen Geld übrig gehabt hättest, wäre er damit ins Kasino gegangen. Er hätte gar nicht anders gekonnt – und du auch nicht.«
    Am Ende sah Mami das genauso wie

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