Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit
Tablette dich um zwei Stunden überdauern.«
Als ich schlafen ging, war mir zwar ein bißchen warm – aber sonst ging es mir prima. Am nächsten Abend zählte ich neun Personen, die im Werbefernsehen keuchten, schnieften, krächzten, gurgelten, stöhnten und ächzten und dabei immer noch besser aussahen als ich. Ich hätte mich gern vorgebeugt, auf den Knopf gedrückt und das Programm gewechselt, aber ich hatte Angst, ihnen zu nahe zu kommen. So hockte ich denn so weit entfernt wie ich nur konnte und versuchte mir vorzustellen, wo man all diese Kranken eigentlich auftreibt. Ich habe ein und dieselbe Schauspielerin in drei verschiedenen Anti-Schnupfen-Reklamen gesehen. Es scheint die Rolle ihres Lebens zu sein. Gesund habe ich sie noch nie etwas spielen sehen.
Man muß sich das mal konkret vorstellen: Es erscheint ein Inserat: GESUCHT: schwindsüchtige, hoch fiebernde Darstellerin mit verstopften Atemwegen, der das Luftholen schwerfällt. Und danach wartet man in einem Büro zusammen mit dreitausend anderen arbeitslosen Grippeopfern, die sich nach dem Job drängen.
Wie ich da im Morgenrock vorm Fernseher sitze, ist mir so elend wie Tom Sawyer, während er die eigene Beerdigung beobachtet. Gestern sah ich nun im Werbefernsehen einen Mann, der im Bett lag und so entsetzlich hustete, daß er kein Wort herausbrachte. Da sagte seine Frau, sie ginge ihm jetzt ein fabelhaftes Hustenmittel holen. In diesem Augenblick wurde unser Bildschirm dunkel.
Gewiß, es kann ein ganz normaler Stromausfall gewesen sein, aber ehrlich gesagt, mache ich mir doch Sorgen um die beiden.
Single-Menüs
Wer allein ißt, ißt nicht wie andere Menschen, das ist bekannt. Ich rede hier nicht von dem Einzelgast im Restaurant, der eine fünfseitige Speisekarte zum Aussuchen vor sich hat. Ich rede von dem, der sich daheim aus Vorhandenem etwas zusammenschustert.
Geschiedene oder verwitwete Frauen berichten mir, daß sie in ihren Eßgewohnheiten gewisse Stadien durchlaufen. Zu Anfang kochen sie weiter, wie sie es bisher getan haben, bemühen sich um ausgewogene Kost und essen Gesundes. Nach einer Weile fangen sie an zu essen, was sie früher nicht durften: Ketchup auf Eiersalat, in der Pfanne aufgebratenen Kartoffelbrei, schon zum Frühstück Gulasch, gebackene Pellkartoffeln mit saurer Sahne und Schnittlauch.
Was man allein für sich ißt, symbolisiert die Freiheit, die man vorher nicht hatte. Neulich lud mich eine Freundin, die vor kurzem geschieden worden war, zum Abendessen ein. Sie kochte nichts. Sie belegte für jeden von uns ein Tellerchen mit Apfelschnitzen, öffnete ein großes Glas Erdnußbutter zum Hineintunken und fragte: »Was willst du denn trinken?«
Meine ersten Erfahrungen, längere Zeit allein zu essen, machte ich voriges Jahr, als ich eine Show fürs Fernsehen vorbereiten mußte. Ich aß jeden Abend fetttriefende Bratkartoffeln und trank dazu Diätbier. Sie finden, ich hätte die Bratkartoffeln weglassen sollen? Ja, meinen Sie vielleicht, ich hatte den ganzen Tag geschrieben, dreiundneunzig Telefonate geführt, drei Sitzungen und eine Probe hinter mich gebracht, mich durch den Stoßverkehr gewürgt und dem Smog standgehalten … für ein Diätbier?
In der zweiten Woche aß ich sieben verschiedene Arten von Teigwaren, alle mit fetten Saucen, manchmal sogar einen Klecks Sahne auf dem Nachtisch. Vor dem Ins-Bett-Gehen gönnte ich mir noch eine Limo und ein Stück Kuchen. Ich aß Reste, die ich nicht einmal nennen, geschweige denn verdauen konnte.
Na und? Sind mir die Zähne ausgefallen? Die Knochen zerkrümelt? Wurde mir übel? Nichts von alledem. Mir scheint, die Frage gesunder Ernährung wird zu wichtig genommen. Wir kochen nicht das, was wir gerne essen, sondern das, womit wir glauben, anderen imponieren zu können.
Alleinesser haben noch eine weitere Eigenart. Sie erzählen jedem, nun, da sie für niemanden mehr kochen müßten, äßen sie viel weniger und nähmen ab. Das lügen sie in ihren Hals! Sie denken den ganzen Tag an nichts anderes als an Hefeklöße mit Mohn und brauner Butter und können es kaum erwarten, sich in ihre Häuser zu verkriechen, die Vorhänge zuzuziehen und sich vollzustopfen.
Ich weiß, allein zu essen ist unbeschreiblich einsam und langweilig. Aber ich muß zugeben, daß ich neulich, als Mann und Kinder ausgegangen waren, mit Vergnügen ein halbes Hähnchen verputzt habe.
Vegetarisches
Meine Tochter, die Vegetarierin, hat mich vor ein paar Jahren dazu überreden wollen, weniger Fleisch zu
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