Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Brief gelesen hatte, legte sie ihn auf ihr Herz und meinte: »Um Shoko müssen wir uns jetzt keine Sorgen mehr machen.« Und dabei war ihr Lächeln so strahlend hell wie ein klarer blauer Himmel. Zwei Tage später hatte sie einen Schlaganfall.
Mein Vater rief mich bei der Arbeit an und teilte mir mit, dass es schlecht um sie stand. Als ich das meinem Chef erzählte, meinte er: »Ihr müsst sofort zu ihr fahren. Aber ihr braucht doch sicher Geld? Hier, nimm das.« Er zog 100 000 Yen (etwa 900 Euro) aus seinem Portemonnaie und reichte sie mir.
»Ich kann nicht alles auf einmal zurückzahlen, kann ich es in Raten zurückgeben?«
»Mach dir jetzt keine Gedanken darüber, zahl es mir einfach irgendwann zurück. Takamitsu-kun kann ich nur ein paar Tage entbehren, aber ich werde mit dem Boss reden, damit du länger Urlaub nehmen kannst, Shoko-chan. Macht beide Schluss für heute, kauft euch Fahrkarten und fahrt zu deinen Eltern.«
»Vielen Dank. Wir zahlen das Geld so bald als möglich zurück. Wir melden uns, wenn wir angekommen sind.«
Wir verbeugten uns tief vor unserem Chef, gingen nach Hause, packten und stiegen in den nächsten Zug.
Als wir im Krankenhaus ankamen, lag meine Mutter schon auf der Intensivstation und hatte ein Beatmungsgerät im Mund, das mit Klebestreifen befestigt war. Ihr Herz wurde von einer Maschine in Bewegung gehalten, und ihr ganzer Körper war von schmalen Schläuchen umgeben. Ich erkannte meine Mutter kaum wieder.
»Doktor, kann ihr eine Operation nicht helfen? Bitte, tun Sie etwas. Geld spielt keine Rolle. Bitte, retten Sie ihr Leben, bitte …«
Ich packte die Schulter des Arztes und flehte ihn an.
»In ihrem Gehirn ist eine Ader geplatzt, die wir nicht erreichen oder operieren können. Wir können leider nichts mehr tun, als abzuwarten, bis sie stirbt.«
In meinem Kopf hörte ich ein eigenartiges Summen, dann wurde mir schwarz vor Augen. Als ich nach einer Weile wieder aufwachte, lag ich in einem Krankenhausbett.
»Shoko? Geht es dir besser?«
Takamitsu stand von der braunen Dreisitzerbank auf, die an der Wand befestigt war.
»Wo ist Mama?«
»Sie haben sie in ein anderes Zimmer gebracht.«
Ich stand sofort auf und schlüpfte in die Krankenhaus-Plastikpantoffeln.
»In welches Zimmer?«
»Kannst du wirklich schon aufstehen?«
»Ja, ja, früher bin ich oft wegen einer Kreislaufschwäche zusammengeklappt, es geht mir gut, wirklich.«
»Na gut, dann komm mit.«
Er nahm meine Hand und brachte mich zu meiner Mutter. »Mama, wie konnte das nur passieren?«
Takamitsu sah voller Mitleid zu, wie ich kraftlos zu Boden sank. Er wusste, wie sehr ich meine Mutter liebte. Als ich den Brief geschrieben hatte, hatte er gefragt: »Was hast du denn geschrieben?«
»Ich kann dir das nicht zeigen, das ist mir peinlich.«
»Du musst ihn mir ja nicht zeigen. Erzähl mir einfach ein bisschen davon.«
»Ich habe mich für alles entschuldigt, was ich bisher getan habe.«
»Wollen wir morgen etwas für sie einkaufen gehen?«
»Ja, lass uns etwas für Mama kaufen und es ihr schicken. Ich würde ihr gern etwas von meinem ersten Gehalt schenken.«
»Das wird sie bestimmt freuen. Wir suchen zusammen etwas aus.«
Am nächsten Tag war ich in der Süßwarenabteilung des Kaufhauses hin und her gelaufen und hatte mich nicht entscheiden können. Dann hatte Taka mir mit einem Lachen die Kekse gezeigt und gemeint: »Nimm doch die, das ist eine Spezialität von hier.«
Takamitsu war manchmal ein ungeduldiger Mensch, aber in solchen Situationen zeigte er viel Einfühlungsvermögen.
Das alles war erst zwei Tage her …
Ich telefonierte mit meinen Geschwistern, um zu besprechen, wie wir es schaffen konnten, dass immer einer von uns bei meiner Mutter war. Da mein Vater und mein Bruder arbeiten mussten, konnten sie erst am späten Nachmittag kommen. Maki, Na-chan und ich würden uns dann die restliche Zeit abwechseln.
An diesem ersten Tag blieb Takamitsu die ganze Zeit bei mir.
Nachdem Maki und Na-chan uns dann am nächsten Tag abgelöst hatten, fuhren wir nach Hause. Ich nahm ein Bad, machte das Abendessen und deckte den Tisch. Als ich mich gegenüber von Takamitsu hinsetzte, hielt er kurz inne und meinte: »Du solltest auch ein bisschen was essen.«
»Ich hab aber gar keinen Hunger.«
»Du hast seit gestern nichts mehr gegessen.«
»Ehrlich?«
Ich nahm etwas Reis, kaute darauf herum, schmeckte aber gar nicht, was ich da aß.
Die Teller klirrten in der stillen Küche aufeinander. Ich füllte das
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