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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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darauf an.«
    »Dürfte ich dich anfassen?«
    Das leichte Rascheln eines Stoffes. Der stehende Mann hat sich nach vorn gebeugt. Der sitzende Mann spürt die Wärme seines Atems, des Atems eines Mannes. Vielleicht ein Mann, den er zu anderen Zeiten und unter anderen Umständen besser kennen zu lernen versucht hätte …
    Er streckt die Hände aus, legt sie auf jenes Gesicht, fährt es mit den Fingerkuppen bis zu den Haaren hin ab. Er folgt der Linie der Nase, erforscht mit den Fingern die Wangenknochen und die Stirn.
    Seine Hände sind seine Augen, jetzt, und sie sehen für ihn.
    Der sitzende Mann hat keine Angst. Er war neugierig, nun ist er nur überrascht.
    »Du bist es also«, murmelt er.
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    »Ja«, entgegnet der andere einfach und steht auf.
    »Warum tust du das?«
    »Weil ich muss.«
    Der sitzende Mann gibt sich mit dieser Antwort zufrieden. Auch er hat in der Vergangenheit das getan, was er spürte, tun zu müssen.
    Er hat noch eine letzte Frage an den anderen. Im Grunde ist er nur ein Mensch. Ein Mensch mit Angst, nicht vor dem Ende, sondern einzig vor dem Schmerz.
    »Werde ich leiden?«
    Der sitzende Mann kann nicht sehen, wie der stehende Mann aus seiner Stofftasche eine Pistole mit Schalldämpfer zieht. Er sieht nicht den Lauf auf sich gerichtet. Er sieht nicht, wie das bräunliche Metall das bisschen Licht, das schräg von oben durchs Fenster fällt, bedrohlich reflektiert.
    »Nein, du wirst nicht leiden.«
    Er sieht nicht, wie der Knöchel weiß wird, als der Finger den Abzug drückt. Die Antwort des stehenden Mannes mischt sich mit dem gedämpften Zischen der Kugel, die ihm im Dunkeln das Herz zerreißt.
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    »Ich habe echt nicht die Absicht, im Gefängnis zu sitzen, bis diese Geschichte vorbei ist. Und vor allem habe ich keine Lust, als Köder benutzt zu werden!«
    Roby Stricker stellte das Glas Glenmorangie ab, erhob sich vom Sofa und sah aus dem Fenster. Malva Reinhart, die junge amerikanische Schauspielerin auf dem Sofa an der gegenüberliegenden Wand, ließ ihre fantastischen, violetten Augen, Anlass und Essenz unzähliger Nahaufnahmen, von ihm zu Frank gleiten. Sie war still und verstört. Auf einen Schlag schien sie aus ihrer öffentlichen Rolle geschlüpft zu sein, welche sie mit Blicken erfüllte, die ein paar Sekunden zu lange dauerten, und mit Dekolletes, die ein paar Zentimeter zu freizügig waren. Die Aura aggressiver Überheblichkeit, die sie wie eine Trophäe mit sich herumtrug, war in dem Moment von ihr abgefallen, als Frank und Hulot sie vor dem Ausgang des Jimmy’z, der exklusivsten Diskothek von Monte Carlo, entdeckt hatten.
    Sie standen auf dem asphaltierten Platz am Sporting d’Été, gleich neben der Glastür des Lokals, etwas links abseits vom blauen Neonlicht des Schildes. Sie unterhielten sich mit einem Mann. Frank und Hulot waren aus dem Wagen gestiegen und in ihre Richtung gelaufen. Die Person, mit der er und Malva in dem Moment gerade sprachen, ging weg und ließ sie alleine im Scheinwerferlicht zurück.
    »Roby Stricker?«, hatte Nicolas gefragt.
    Er hatte sie angesehen, ohne zu verstehen.
    »Ja«, hatte er mit nicht ganz sicherer Stimme geantwortet.
    »Ich bin Kommissar Hulot von der Sûreté Publique, und das ist Frank Ottobre vom FBI. Wir müssten mit euch reden. Könnt ihr bitte mit uns kommen?«
    Er schien sich nicht besonders wohl gefühlt zu haben, als er ihre Titel hörte. Warum, hatte Frank erst später verstanden, und geflissentlich übersehen, wie sich der junge Mann ziemlich ungeschickt eines Tütchens Kokain entledigte. Stricker hatte der Frau neben ihm, die sie verblüfft ansah, mit der Hand ein beschwichtigendes Zeichen gegeben. Sie hatten Französisch gesprochen, und sie hatte kein einziges Wort verstanden.
    »Alle beide oder nur ich? Also, ich wollte sagen, das ist Malva Reinhart und …«
    »Du bist nicht verhaftet, wenn es das ist, was dich interessiert«, unterbrach ihn Frank auf Italienisch.
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    »Ich glaube, du solltest mit uns kommen, in deinem eigenen Interesse. Wir haben Grund anzunehmen, dass du in Lebensgefahr bist.
    Sie vielleicht auch.«
    Gleich danach hatten sie ihn im Wagen über alles informiert.
    Stricker war totenbleich geworden, und Frank vermutete, hätte er gestanden, wären ihm die Beine weggesackt. Frank hatte dann der Reinhart alles ins Englische übersetzt, und nun war sie an der Reihe, Sprache und Farbe zu verlieren. Eine junge, sinnliche Schauspielerin der Gegenwart auf einen Schlag in die Welt des Stumm- und des

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