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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Wänden sind Spiegel, und das Spiegelbild der Schallplatte wird von dem einen zum anderen reflektiert. Irgendwie gab es da einen leichten Farbunterschied im Vergleich zu dem Bild, das ich direkt vom Video gezogen hatte …«
    Guillaume ließ wieder seine Finger über die Tastatur gleiten.
    »Mir schien, dass auf dem Ausschnitt mit dem Spiegelbild, den wir hier ganz sehen, dass genau hier oben in der Mitte ein Etikett auf der Plattenhülle klebt …«
    Er drückte die Enter-Taste mit der Vorsicht desjenigen, der die Rakete zur Zerstörung der Welt freigibt. Vor ihren Augen fügte sich ganz langsam der verschwommene Fleck auf dem Bildschirm zusammen und nahm Gestalt an. Auf einem goldenen Hintergrund erschien eine dunkle Schrift, leicht verzerrt und unscharf, aber lesbar.
    »Das Etikett des Plattenladens zum Beispiel. Hier, Disque à Risque, Cours Mirabeau, weiß der Kuckuck, wo das ist. Aix-en-Provence. Die Hausnummer kann man nicht erkennen. Die Telefonnummer auch nicht. Tut mir Leid, aber das müsst ihr selber rauskriegen.«
    In Guillaumes Stimme lag ein Hauch von Triumph. Er drehte sich zu Hulot um mit der Geste des Akrobaten, der nach einem Salto mortale sein Publikum grüßt.
    Frank und Nicolas waren sprachlos.
    »Guillaume, du bist ein Phänomen!«
    Der Junge zuckte mit den Schultern und lächelte.
    »Ach nee, wir wollen mal nicht übertreiben, ich bin ganz einfach nur das Beste, was der Markt zu bieten hat.«
    Frank lehnte sich an den Sessel und beugte sich leicht zum Bildschirm vor. Ungläubig las er noch einmal die Schrift auf dem Monitor. Nach all dem Nichts hatten sie jetzt endlich etwas. Nach all dem Herumirren auf den Meeren erschien am Horizont ein dunkler Strich, der Land sein könnte, aber auch eine wirre Ansammlung von Wolken. Diese sahen sie nun mit angsterfüllten Augen an, wie jemand, der den Spott einer weiteren Illusion befürchtet.
    Nicolas erhob sich vom Sofa.
    »Kannst du uns die Bilder ausdrucken?«
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    »Klar, kein Problem. Wie oft?«
    »Viermal müsste eigentlich reichen, für alle Fälle.«
    Guillaume machte sich am Computer zu schaffen, und ein Drucker setzte sich mit einem dumpfen Ruck in Bewegung. Während die Seiten nacheinander in die Ablage glitten, erhob er sich vom Sessel.
    Frank trat vor den Jungen und suchte seinen Blick, wobei er dachte, dass es manchmal und bei bestimmten Personen nicht vieler Worte bedurfte.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was du heute Nachmittag für uns und vielleicht für viele andere getan hast. Gibt es etwas, das wir für dich tun können?«
    Ohne etwas zu sagen, kehrte Guillaume ihm den Rücken zu. Er nahm die Videokassette aus dem Rekorder, drehte sich um, streckte sie Frank nachdrücklich hin, ohne seinem Blick auszuweichen.
    »Nur eins. Fasst den Mann, der das alles hier getan hat.«
    »Darauf kannst du wetten. Und das wird auch dir zu verdanken sein.«
    Als Nicolas die Fotos aus dem Drucker nahm, schwang in seiner Stimme zum ersten Mal seit langem ein optimistischer Ton mit.
    »Gut, ich glaube, wir haben jetzt was zu tun. Ganz schön was zu tun. Du musst uns nicht zur Tür bringen, wenn du arbeiten musst. Ich kenne den Weg.«
    »Geht ruhig. Für heute reicht’s mit Arbeiten. Ich schalte hier alles aus und dreh eine Runde mit dem Motorrad. Nach all dem, was ich gesehen habe, ist mir die Lust vergangen, hier allein rumzusitzen
    …«
    »Adieu, Guillaume, nochmals danke.«
    Draußen empfing sie der träge Sonnenuntergang über dem Garten, der wie verzaubert schien, nach diesen Bildern des Grauens, die sie eben nochmal gesehen hatten. Die warme frühsommerliche Brise wehte vom Meer her, hinweg über die bunten Flecken der Blumenbeete, das leuchtende Grün des Rasens, das dunklere Grün der Lorbeerhecke.
    Frank bemerkte, dass aufgrund eines bizarren Farbzufalls keine einzige Blume rot war, rot wie die Farbe des Blutes. Er nahm dies als gutes Omen und lächelte.
    »Warum lachst du?«, fragte Nicolas.
    »Ach, nur ein dummer Gedanke. Kümmere dich nicht darum.
    Vielleicht ein vager Anflug von Optimismus, nach dem, was Guillaume uns gerade mitgegeben hat.«
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    »Klasse Kerl – er …«
    Frank schwieg. Er wusste, dass Nicolas über die Sache noch nicht hinweg war.
    »Er war der beste Freund meines Sohnes. Sie waren sich sehr ähnlich. Jedes Mal, wenn ich Guillaume sehe, denke ich zwangsläufig, dass Stephane höchstwahrscheinlich so geworden wäre wie er, wenn er noch lebte. So kann ich auf eine etwas indirekte Weise weiterhin stolz sein auf

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