Ich Töte
Polizei angeht …«
Roncaille nahm die Anerkennung der lokalen Polizei als Selbstverständlichkeit hin. Er stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und beugte sich leicht zu ihm vor.
»Sie können Kommissar Hulots Büro nutzen. Wie ich schon sagte, Inspektor Morelli steht Ihnen zur Verfügung. Sie werden dort sämtliche Unterlagen über den Fall finden, die Berichte von der Spurensicherung über die letzten beiden Morde, den an Roby Stricker eingeschlossen. Die Gutachten der Autopsie sind schon unterwegs und müssten morgen früh auf dem Tisch liegen. Falls nötig, wird Ihnen ein Dienstwagen mit dem Schild ›Polizeiwagen im Dienst‹ zur Verfügung gestellt.«
»Um ehrlich zu sein, wäre das sehr hilfreich für mich.«
»Morelli wird dafür sorgen, dass Sie einen Wagen neben dem Eingang vorfinden. Noch eine letzte Sache … Sind Sie bewaffnet?«
»Ja, ich habe eine Pistole.«
»Gut. Wir stellen Ihnen eine Dienstmarke zur Verfügung, die Ihnen sämtliche Rechte im gesamten Fürstentum garantiert. Viel Glück, Frank.«
Frank wusste, dass die Sitzung, zumindest was ihn betraf, been335
det war. Die Dinge, welche die drei noch zu besprechen hatten, betrafen ihn vielleicht auch, interessierten ihn aber absolut nicht. Er erhob sich, schüttelte allen Anwesenden die Hände und begab sich auf den Flur. Während er runter in Hulots Büro ging, dachte er nochmal an die Neuigkeiten vom Nachmittag.
Zunächst gab es da die neue Spur, zu der ihnen Guillaume Mercier verhelfen hatte. Das Detail, das bei der Analyse des Films ans Licht gekommen war, hatte sie auf eine unbezahlbare Fährte geführt.
In der Welt der Blinden war der Einäugige König. In der Welt der Unwissenden konnten ein Name und eine Adresse den Unterschied ausmachen zwischen Leben und Tod einer Person. Im Gegensatz zu Nicolas erlebte er die Spur eher ängstlich als hoffnungsfroh. Es war, als stießen ihn hundert Hände von hinten an, damit er immerfort weiterlaufe, während hundert ununterscheidbare Stimmen sinnlose Worte in seine Ohren flüsterten. Worte, die er hätte verstehen müssen, und die er nicht verstand in seinem Lauf, den er nicht zu stoppen vermochte.
Die wenigen Chancen, die sie hatten, lagen nun in der Hand von Nicolas Hulot, dem Kommissar auf Urlaub, der jetzt in seiner Freizeit möglicherweise mehr entdecken würde als in der Zeit, die er offiziell im Dienst der Untersuchung gestanden hatte.
Der zweite Gedanke galt Helena Parker. Was wollte sie von ihm?
Warum flößte ihr Vater ihr solche Angst ein? Und wie war ihr Verhältnis zu Captain Mosse? So, wie er sie an dem Tag der Schlägerei behandelt hatte, war klar, dass ihr Verhältnis über die normale Vertrautheit zwischen der Tochter eines Generals und einem seiner Untergebenen hinausging, so sehr schien er schon Teil der Familie zu sein. Und vor allem, inwieweit stimmte die von ihrem Vater verbreitete Geschichte von der psychischen Labilität der Frau?
Diese Fragen schlichen sich in Franks Gehirn, obwohl er versuchte, den Gedanken an Helena Parker zu vertreiben, als unpassendes Störelement, das die einzige Funktion hatte, seine Aufmerksamkeit von Keiner und den Ermittlungen abzulenken, in die er von nun an hauptverantwortlich verwickelt war.
Ohne anzuklopfen öffnete er die Tür zu Nicolas’ Büro. Es war nun das seine, und er war berechtigt dazu. Morelli saß am Schreibtisch und erhob sich mit einem Ruck, als er ihn eintreten sah. Es entstand ein Moment der Verlegenheit zwischen ihnen. Frank hielt eine kurze Erklärung für angebracht, damit deutlich wurde, auf wessen Seite jeder von ihnen stehen wollte.
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»Salut, Claude.«
»Salut, Frank.«
»Weißt du schon das Neueste?«
»Ja, Roncaille hat mir alles erzählt. Ich bin froh, dass du die Ermittlungen leiten wirst, auch wenn …«
»Auch wenn?«
Morelli stand fest wie der Fels von Gibraltar, als er diese Worte aussprach:
»Auch wenn ich das, was die mit Kommissar Hulot gemacht haben, wirklich niederträchtig finde.«
Frank lächelte.
»Wenn ich ehrlich bin, ich auch, Claude.«
Sollte dies ein Test gewesen sein, so hatten wohl beide bestanden. Die Atmosphäre im Raum war spürbar entspannter. Im Moment der Entscheidung hatte Morelli sie so getroffen, wie Frank es erwartet hatte. Er fragte sich, bis zu welchem Punkt er ihm vertrauen und ob er ihn von den letzten Neuigkeiten und von Nicolas’ inoffizieller Aktion unterrichten sollte. Er entschied, es für den Moment erst mal dabei zu belassen und das Glück nicht
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