Ich Töte
ins Gesicht.
»Stimmt. Fünf Personen sind schon tot. Vier von ihnen auf abscheuliche Weise entstellt. Und bei dieser ganzen Sache haben wir nicht gerade eine gute Figur abgegeben, weil wir weder die leiseste Ahnung haben, wer der Mörder sein könnte, noch wissen, wie wir ihn stoppen könnten. Außer ein paar Indizien, die er uns freiwillig gegeben hat, ist von diesem durchgeknallten Irren nicht die geringste Spur zurückgeblieben, wenn man von einem kleinen Detail mal absieht …«
Mit seinem Schweigen überließ er Nicolas das Wort. Der Kommissar rückte nach vorn auf die Sofakante und streckte Guillaume eine VHS-Kassette hin, die er aus seiner Jackentasche gezogen hatte.
»Das ist die einzige richtige Spur, die wir haben. Auf dieser Kassette ist etwas, das du bitte für uns untersuchen sollst. Es ist extrem wichtig, Guillaume. Und zwar so wichtig, dass von den Ergebnissen weitere Menschenleben abhängen könnten. Deswegen brauchen wir deine Hilfe und deine Diskretion. Höchste Diskretion, ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt …«
Kopfnickend nahm Guillaume die Kassette aus Hulots Händen und hielt sie zwischen den Fingern, als könne sie von einem Moment zum anderen explodieren.
»Was ist auf dieser Kassette drauf?«
Frank sah ihn aufmerksam an. In der Stimme des Jungen war keine Spur von Ironie.
»Das wirst du schon sehen. Aber es ist meine Pflicht, dich darauf hinzuweisen, dass es kein hübsches Schauspiel wird. Ich sage das nur, damit du vorbereitet bist.«
Guillaume entgegnete nichts. Er stand auf und schloss die Vorhänge, damit sich das Sonnenlicht nicht auf dem Fernsehbildschirm spiegelte. Bernsteinfarbenes Licht breitete sich im Zimmer aus. Er setzte sich wieder in den Sessel und schaltete einen Plasmabildschirm und den Computermonitor ein. Die Kassette schob er in einen Rekorder links von sich und drückte eine Taste. Auf dem Bildschirm erschienen zuerst die bunten Streifen, dann die ersten Bilder.
323
Als die Ermordung von Allen Yoshida vor Guillaumes Augen abzulaufen begann, entschied Frank, ihm den ganzen Film zu zeigen.
Sie hätten sofort zu der Stelle übergehen können, die sie interessierte, aber jetzt, wo er den Jungen kannte, wollte er, dass er verstand, mit wem sie es zu tun hatten und wie wichtig seine Rolle in dieser Sache war. Er fragte sich, was wohl in Guillaumes Kopf vorgehen mochte, während er diesen Film sah, wo er selbst in seinem Inneren denselben unveränderten Schrecken empfand wie beim ersten Mal, als er den Film damals angeschaut hatte. Gegen seinen Willen musste er zugeben, dass auf diesem Band eine Art diabolisches Kunstwerk festgehalten war, gemacht, um zu zerstören, nicht, um zu erschaffen, und dennoch nicht frei davon, Gefühle auszulösen.
Nach einer Minute streckte Guillaume seine Hand aus und drückte auf Pause. Der Mörder und sein blutüberströmtes Opfer verharrten in der Haltung, die der Zufall und der Apparat ihnen zugewiesen hatten.
Er drehte sich um und sah sie mit aufgerissenen Augen an.
»Aber … Ist das ein Film, oder ist das alles wahr?«, fragte er mit dünner Stimme.
»Leider ist es hundertprozentig wahr. Ich hatte dir doch gesagt, dass es kein hübsches Schauspiel wird.«
»Schon, aber dieses Blutbad hier übertrifft ja jede Vorstellung.
Das kann es doch gar nicht geben.«
»Kann es, kann es. Leider ist es Realität, wie du selber sehen kannst. Und wir versuchen im Moment, diesem Blutbad, wie du es nennst, ein Ende zu machen.«
Frank sah, dass das T-Shirt des Jungen zwei dunkle Flecken unter den Achseln hatte, die vorher noch nicht da waren. Mit der Temperatur im Zimmer konnte das nichts zu tun haben. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um eine nervöse Reaktion auf das, was er soeben gesehen hatte.
Der Tod ist kalt und heiß zugleich. Der Tod ist Schweiß und Blut.
Der Tod ist leider die einzige wirksame Methode, die das Schicksal gewählt hat, um uns ständig daran zu erinnern, dass es das Leben gibt. Los, Junge, mach weiter, enttäusche uns nicht.
Fast schien es, als habe er diese Gedanken gehört, denn Guillaumes Sessel drehte sich mit einem leisen Quietschen zurück. Er lehnte sich tief in den Sessel, als schütze ihn diese Haltung, als könne er sich so von den Bildern distanzieren, die er gleich wieder sehen würde. Er drückte erneut auf Pause, und die Figuren verloren ihre 324
Unbeweglichkeit, in die sie ein paar Augenblicke lang getaucht waren, sie begannen sich wieder vor ihren Augen zu bewegen, bis zum
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