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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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vermochte.
    Und während er sich in ihr auflöste, hatte er entdeckt, dass es möglich war, dass sie ihm die Kraft geben konnte, jener Gott zu sein, und selber Kraft hatte, dasselbe für ihn zu sein.
    Sie würden das Leid, vielleicht sogar die Erinnerung auslöschen, Die Erinnerung …
    Nach Harriet hatte er keine andere Frau mehr gehabt. Als ob Teile von ihm stillgelegt und nur jene körperlichen Grundfunktionen aktiv seien, die es ihm erlaubten zu trinken, zu essen, zu atmen, sich in der Welt zu bewegen wie ein Roboter aus Fleisch und Blut statt aus Metall und Stromkreisen. Harriets Tod hatte ihn gelehrt, dass sich die Liebe nicht auf Kommando reproduzieren lässt. Niemand konnte sich befehlen, nicht mehr zu lieben. Und erst recht konnte man sich nicht befehlen, nochmal zu lieben. Ein noch so einsamer Wille reichte nicht: Es bedurfte einer Segnung der Gefühle, all der Dinge, die Millionen Jahre Erfahrung und Geschwätz und Dichtung bei weitem noch nicht erklärt hatten. Sie hatten lediglich ihre Existenz festgestellt.
    Helena war ein unvorhergesehenes Geschenk des Himmels, sie war ein stilles »Oh!« der Verwunderung, während sein längst erkalteter und erloschener Planet träge eine Sonne umkreiste, die nur für die anderen zu scheinen schien. Die Ergriffenheit war es, die inmitten der Felsen und in der Glut der verbrannten Erde einen einzigen, 390

    wundersamen Grashalm hatte sprießen sehen. Es war noch keine Rückkehr ins Leben, sondern nur ein kleines, leise geflüstertes Versprechen, eine Möglichkeit, die im liebevollen Hauch der Hoffnung gepflegt werden musste, die als solche nicht Glück, sondern einzig Furcht mit sich bringt.
    »Schläfst du?«
    Helenas Stimme ertappte ihn bei Erinnerungen, die so frisch waren, dass sie wie soeben entwickelte Fotos in seinen Geist geheftet zu sein schienen. Er drehte sich zu ihr und sah, wie sie ihn im verschwörerischen Gegenlicht der Nachttischlampe mit aufgestütztem Kopf beobachtete, den Ellbogen auf der Matratze.
    »Nein, ich schlafe nicht.«
    Sie rückten näher, und Helenas Körper glitt mit einer Natürlichkeit in seine Umarmung, wie das Wasser, das nach langem Kampf gegen ein Hindernis, das seinen Lauf blockiert hatte, ins Flussbett zurückfließt. Frank spürte wieder das Wunder der Berührung zwischen seiner und Helenas Haut. Sie legte ihr Gesicht auf seine Brust und atmete seinen Duft.
    »Du riechst gut, Frank Ottobre. Und du bist schön.«
    »Klar bin ich schön. Ich bin die Antwort der gemein Sterblichen auf George Clooney. Das Problem ist nur, dass niemand danach fragt
    …«
    Helenas Lippen auf seinen waren die Garantie dafür, dass sie diese Frage stellen und die Exklusivrechte an der Antwort einfordern wollte. Sie schliefen wieder miteinander, in dem trägen und sinnlichen Begehren ihrer noch leicht schläfrigen Körper, aus ihrem Erholungsschlaf gerissen in ein Verlangen, das in diesem Moment eher mental als körperlich war.
    Sie vergaßen den ganzen Rest der Welt, wie ihn nur die Liebe vergessen lässt.
    Danach, zurückgekehrt, mussten sie gezwungenermaßen den Preis für ihre Reise bezahlen. Sie blieben schweigend liegen, sahen zur hellen Zimmerdecke, die viel undeutlicher über ihnen hing als andere Dinge, die im bernsteinfarbenen Licht des Raumes zu schweben schienen. Dinge, die sich nicht so einfach verdrängen ließen, indem man die Augen schloss.
    Frank war den ganzen Tag über in der Zentrale gewesen, hatte den Gang der Ermittlungen im Fall Keiner verfolgt und mit jeder weiteren Stunde festgestellt, dass ihre Spuren zwischen dem Nichts und dem absoluten Nichts pendelten, aber er hatte sich dennoch 391

    bemüht, aktiv und konzentriert zu wirken, während sein Geist in ganz andere Richtungen geschweift war.
    In Gedanken war er bei Nicolas Hulot und seiner Spur, die auf so dünnes Papier geschrieben war, dass man durch dieses hindurch die Panik auf ihren Gesichtern lesen könnte. In Gedanken war er bei Helena, eingeschlossen von einem niederträchtigen Erpresser und einem ebenso niederträchtigen Gefängniswärter in diesem höhnischen und uneinnehmbaren Kerker ihres Zuhauses mit seinen zur Welt hin weit geöffneten Türen und Fenstern.
    Gegen Abend war er wieder nach Beausoleil gefahren und hatte sie im Garten stehen sehen, mit dem erwartungsvollen Gefühl eines Reisenden, der nach langem und mühsamem Weg durch die Wüste das Ziel seiner Pilgerfahrt erblickt.
    Während Frank bei ihr war, hatte Nathan Parker einige Male aus Paris angerufen. Das

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