Ich Töte
als traue er sich nicht zu, die Dinge in einer Sprache darzustellen, die nicht die seine war. Er wirkte wie der Trainer einer Basketballmannschaft, der seinen Spielern während der Minutenpause taktische Anweisungen gab.
»Okay, Jungs, jetzt hört mir mal gut zu. Ich habe mit dem Besitzer des Hauses hier unten gesprochen, das praktisch ein Zwilling von Jean-Loups Villa ist. Beide Häuser wurden gleichzeitig gebaut, nicht einmal hundert Meter voneinander entfernt, und zwar irgendwann in den Sechzigern, von zwei Brüdern. Der, der hier wohnte …«
Frank deutete auf das Dach hinter seinem Rücken.
»… der, der hier wohnte, in dem Haus, das später Jean-Loup Verdier gehören sollte, hatte eine Frau, die, sagen wir mal, ein wenig überempfindlich war. Ein richtiger Quälgeist, um es auf den Punkt zu bringen. Im Jahre ’62, während der Kubakrise, als plötzlich die ernsthafte Gefahr eines Atomkriegs bestand, hat sie sich in die Hose gemacht vor Angst. Und deshalb hat sie ihren Mann genötigt, unter ihrem Haus einen Atombunker zu bauen. Vielleicht genau hier, wo wir gerade stehen …«
Frank zeigte mit dem Finger auf den Asphalt unter ihren Füßen.
Morelli folgte instinktiv Franks Geste und neigte den Kopf, um auf die Erde zu sehen. Als er es merkte, blickte er schnell wieder auf.
»Aber wir haben sogar die Lagepläne der beiden Villen studiert.
Da ist nicht der Hauch von einem Atombunker zu sehen.«
»Tja, warum, das kann ich dir auch nicht erklären. Wahrscheinlich wurde der Bunker ohne Genehmigung gebaut und ist in den Grundbuchplänen nicht aufgeführt. Wo nicht nur ein, sondern gleich zwei Häuser gebaut werden und überall Bagger und LKWs herumfahren, kann man schon mal einen unterirdischen Bunker übersehen.«
Roberts meldete sich zu Wort, um Franks Worte zu bestätigen.
»Wenn dieser Bunker tatsächlich existiert, dann muss es so gelaufen sein, wie Frank sagt. In den Sechzigern gab es einen Bauboom, und die Kontrollen waren damals nicht besonders streng.«
Frank fuhr fort in seinen Erläuterungen.
»Tavernier, der Besitzer der unteren Villa, hat mir erzählt, der Eingang zum Bunker habe sich in einem Durchgangszimmer befun511
den, hinter einer Wand mit einem großen Regal.«
Ein Mann der Spezialeinheit hob die Hand. Er war in der Gruppe gewesen, die beim letzten Mal in die Villa eingedrungen war, die drei ermordeten Beamten entdeckt und das Haus dann von oben bis unten durchsucht hatte.
»Im Kellergeschoss gibt es eine Art Waschküche, rechts neben der Garage, einen Innenraum ohne Fenster, der sein Licht nur durch ein paar Luftschächte zum Vorplatz hinaus bekommt. Ich meine mich zu erinnern, dass eine Wand komplett von einem Regal eingenommen war.«
»Sehr gut«, erwiderte Frank. »Ich fürchte allerdings, dass das Hauptproblem nicht darin besteht, den Bunker zu finden, sondern darin, ihn zu öffnen, oder den, der da drinsteckt, zum Herauskommen zu bewegen. Und jetzt eine müßige Frage: Gibt es hier irgendjemanden, der weiß, wie ein Atombunker funktioniert? Ich meine, jemanden, der mehr darüber weiß als das, was man aus Film oder Fernsehen kennt?«
Einen Moment war es still, dann hob Leutnant Gavin, der Kommandeur der Antiterroreinheit, die Hand.
»Ein bisschen Ahnung habe ich schon, wenn auch eher oberflächlich.«
»Das ist schon was. Auf jeden Fall viel mehr als das, was ich weiß. Was für Möglichkeiten gibt es, den Mann herauszuholen, falls er überhaupt da drin ist?«
Während er das sagte, sah Frank zwei Finger vor sich, die sich beschwörend überkreuzten.
Roberts zündete sich eine Zigarette an. Vielleicht inspiriert von dem Rauch, den er aus dem Mund blies, machte er einen Vorschlag.
»Falls jemand da unten ist, muss er ja irgendwie atmen, oder?
Wenn wir die Belüftungsschächte fänden, könnten wir versuchen, ihn mit Tränengas herauszubekommen.«
Gavin schüttelte den Kopf.
»Ich glaube kaum, dass das funktioniert. Wir können es probieren, aber wenn die Dinge stehen, wie Frank sagt, und unser Freund die Anlage immer ordentlich gewartet hat, ist da nichts zu machen.
Um gar nicht erst von dem Fall zu reden, dass er sie auf dem neuesten Stand der Technik gehalten hat. Die modernen Atombunker sind mit einem Luftreinigungssystem mit Aktivkohlefiltern ausgestattet, die als Adsorbenzien fungieren. Aktivkohle ist ein Filterstoff, der nicht nur für Gasmasken, sondern auch für die Belüftungssysteme 512
von Räumen mit hohem Risikofaktor wie zum Beispiel Atomkraftwerken
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