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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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ist, seit jeher sein natürliches Habitat. Im Garten steht ein riesiger Rosmarinstrauch und erinnert ihn mit seinem durchdringenden Aroma an den ganz eigenen Duft des Lavendels, ohne dass er wüsste, warum. Sie sind so verschieden, diese beiden Gerüche, und doch genügt der eine, um die Erinnerung an den anderen in seinem Gedächtnis auszulösen, so wie in einer Jukebox die Platte vom mechanischen Arm der Wählvorrichtung unter allen anderen ausgesucht wird und leise auf den Teller rutscht. Es ist die Vermählung der Nacht und der Aromen, die zu einem Bild nicht nur aus Farben und Geräuschen, sondern auch aus Gerüchen verschmelzen.
    In absoluter Dunkelheit bewegt er sich geräuschlos, wie nur er geräuschlos zu sein versteht, durch dieses Haus, das er wie im Schlaf kennt. Manchmal tritt er auf die Terrasse hinaus, hebt den Kopf und sieht, an die Mauer gelehnt und gut im Schatten des Hauses verborgen, zu den Sternen hinauf. Er versucht nicht, die Zukunft in ihnen zu lesen. Er begnügt sich damit, ihr helles Blinzeln in diesem Fragment der Gegenwart zu bewundern. Er fragt sich nicht, was aus ihm werden wird, aus ihnen. Es ist keine Gewissenlosigkeit oder Gleichgültigkeit, nur Bewusstheit.
    Er verurteilt sich nicht dafür, dass er einen Fehler begangen hat.
    519

    Von Anfang an hatte er gewusst, dass er früher oder später einen begehen würde. Das ist das Gesetz des Zufalls, angewendet auf das vergängliche Leben der Menschen, und irgendjemand hat ihm vor sehr langer Zeit beigebracht, dass Fehler sich rächen. Oder besser, hat ihn gezwungen, am eigenen Leib zu erfahren, dass Fehler sich rächen.
    Und er, oder eher sie, haben für ihre Fehler bezahlt. Jedes Mal ein bisschen härter, mit immer schärferen Strafen, je älter sie wurden und je stärker sich der Spielraum für zulässige Fehler verengte, bis die Intoleranz absolut wurde. Unbeugsam war er gewesen, jener Mann. Doch in seiner Anmaßung hatte er vergessen, dass auch er nur ein Mensch war. Und dieser Fehler hatte ihn das Leben gekostet.
    Er selbst hatte überlebt, jener Mann nicht.
    Nach seinen kurzen nächtlichen Ausgängen kehrt er in seinen unterirdischen Schlupfwinkel zurück und wartet. Das dunkle Metall, mit dem sein Versteck ausgekleidet ist, lässt auch dieses zu einem Ort der Nacht werden, als dringe die Dunkelheit jedes Mal, wenn er von draußen kommt, durch die Tür mit hinein und verbreite sich wie schwarze Farbe an den Wänden. Dies ist nur eins der vielen Verstecke der Nacht, um nach dem Einfall des Lichts zu überleben, aber für ihn hat es eine andere Bedeutung, für ihn ist es die natürliche Solidarität unter Flüchtlingen.
    In seiner Isolation spürt er weder das Gewicht des Wartens noch das der Einsamkeit.
    Er hat die Musik und Pasos Gesellschaft. Das reicht ihm.
    Ja, Vibo und Paso.
    Er erinnert sich nicht einmal mehr an den Moment, in dem sie ihre eigentlichen Namen verloren hatten und aus ihrer Fantasie die jetzigen entsprungen waren. Mag sein, dass es einen bestimmten Anlass dafür gegeben hatte, mag sein, dass der einzige bestimmte Anlass die Absolutheit des Zufalls gewesen war, ein plötzliches Aufblitzen ihrer kindlichen Fantasie, die bekanntlich nicht auf logische oder plausible Anstöße angewiesen ist. Wie ein Glaube. Er ist oder er ist nicht. So einfach.
    Mit geschlossenen Augen hört er zum millionsten Mal Stairway to Heaven von Led Zeppelin, in einer seltenen Liveaufnahme. Er sitzt in seinem mit Rollen versehenen Sessel und lässt die Lehne langsam vor- und zurückschaukeln, im Takt der Melodie, die Stufe um Stufe den langsamen, mühseligen Aufstieg zum Himmel heraufbeschwört.
    520

    Die Leiter existiert, das Paradies vielleicht nicht.
    Nebenan liegt wie immer der Körper in seinem kristallenen Sarg, als sei ein Film angehalten worden, als warte er auf das Erwachen am Ende einer Reise, die nie ein Ende haben wird. Mag sein, dass er mit ihm die Musik verfolgt, mag sein, dass ihm hin und wieder etwas entgeht, ganz gefangen in der Bewunderung seines neuen Gesichts, das er trägt, das letzte, das er ihm gebracht hat, um seine verständliche Eitelkeit zu befriedigen. Bald wird auch dieses künstliche Gesicht verderben wie all die anderen. Dann wird er weitersehen müssen. Doch noch ist keine Eile, ist Zeit, sich schläfrig und ausschließlich der Stimme von Robert Plant, die aus den Boxen kommt, hinzugeben.
    Das Stück ist zu Ende.
    Er lehnt sich über die Holzplatte und streckt sich, um die Stopptaste zu drücken. Er möchte

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