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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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die Platte nicht weiter anhören. Für diesen Moment reicht dieses eine Lied. Er möchte das Radio anmachen, sich für eine Weile mit den Stimmen der Außenwelt umgeben.
    In der betroffenen Stille, die auf jede Musik folgt, ist ihm, als höre er rhythmische Stöße, als schlage jemand von außen an die Tür und erzeuge ein fernes Donnern.
    Er steht auf aus seinem Sessel und geht zur Tür. Er legt sein Ohr daran, und die Kälte des Metalls überträgt sich auf seine Haut. Die Schläge wiederholen sich.
    Gleich darauf hört er durch die Dicke der Tür eine Stimme. Es sind unverständliche Worte, die aus einer unüberbrückbaren Entfernung zu kommen scheinen, aber er weiß sehr wohl, dass diese praktisch unverstehbaren Worte an ihn gerichtet sind. Er versteht sie nicht, doch er errät ihre Bedeutung. Die Stimme fordert ihn sicherlich auf, die Tür seines Schlupfwinkels zu öffnen und herauszukommen, bevor …
    Er nimmt das Ohr vom Metall und lächelt. Er ist viel zu erfahren, um nicht zu wissen, dass das keine leeren Drohungen sind. Er weiß, dass sie nicht viel tun können, um ihn hier herauszuholen, aber er weiß auch, dass sie das wenige, was sie tun können, mit Sicherheit tun werden. Was sie nicht wissen, ist, dass sie ihn niemals bekommen werden. Nicht lebendig jedenfalls.
    Nichts auf der Welt kann ihn dazu bringen, ihnen diese Freude zu machen.
    Er verlässt die Tür und geht hinüber in den Raum, wo der Körper in seinem durchsichtigen Schrein und seiner üblichen Reglosigkeit 521

    eine lebendige Spannung zu verraten scheint. Ein Anflug von Angst zeigt sich auf der ausdruckslosen Haut der Maske, die sein Gesicht bedeckt. Er denkt, dass sich dieses Gefühl einst auf dem Gesicht des Mannes gespiegelt hat, dem sie gehörte. Jetzt ist es nichts als eine Illusion. Jede Emotion hat sich in Luft aufgelöst, für immer, mit dem letzten Atemzug.
    Es herrscht ein langes, gedankenverlorenes Schweigen. Der Mann bleibt bei seinem stillen Gesicht, wartet. Mehrere Minuten vergehen. Den Toten gehört die Ewigkeit, für sie zählt eine solche Zeitspanne weniger als nichts. Für die Lebenden kann sie länger scheinen als ein ganzes Leben.
    Die Stimme in seinem Kopf kehrt wieder und stellt die Frage, die er gefürchtet hat.
    Was wird aus mir, Vibo?
    Der Mann sieht den Friedhof von Cassis vor sich, die riesige Zypresse in der Mitte, die Gräber der Menschen, die nie eine Familie für sie gewesen sind, sondern nur ihr Albtraum. Fotos sind nicht auf diesen Gräbern, doch die Gesichter der Menschen, die dort begraben liegen, sieht er wie Bilder, die gerade erst auf die Mauern seines Gedächtnisses gemalt wurden.
    »Ich denke, du wirst nach Hause zurückkehren. Und ich auch …«
    Oh …
    Ein erstickter Ausruf, eine einzige Silbe, in der alle Erwartungen der Welt mitschwingen. Die Verlockung der Freiheit, der Sonne, der Meereswellen, in die man als Erwachsener hineinspringt, um als Kind wieder aufzutauchen. Aus den Augen des Mannes rinnen Tränen. Sie laufen ihm ungehemmt die Wangen hinab und fallen auf die Kristallfläche, auf die er den Kopf gelegt hat. Es sind arme, klare Tränen ohne Adel, doch von der gleichen Farbe jener Meereswellen.
    Die Liebe, die in seinen Augen glänzt, ist grenzenlos und vollkommen. Zum letzten Mal betrachtet er den Körper seines Bruders, der das Gesicht eines anderen Mannes trägt, und sieht ihn vor sich, wie er war, wie er hätte sein sollen: identisch mit ihm, ein Spiegel, in dem er seinem eigenen Gesicht begegnete.
    Langsam tritt er ein paar Schritte zurück, bevor es ihm gelingt, sich umzudrehen und dem Schrein den Rücken zuzukehren. Er geht in das andere Zimmer und bleibt einen Moment stehen vor der langen Reihe von Apparaten und Tonbändern und Geräten, in denen die Musik geboren wird.
    Nur eines gibt es, was er jetzt noch tun kann. Es ist sein einziger 522

    Ausweg, seine einzige Möglichkeit, den Hunden, die ihn hetzen, eine neue Niederlage zu bereiten. Wenn er die Ohren spitzt, scheint es ihm, als könne er ihre Pfoten hektisch an der anderen Seite der Metalltür kratzen hören.
    Ja, es gibt nur noch eins zu tun, und er muss es schnell tun.
    Er nimmt die Platte von Led Zeppelin aus dem CD-Player, um eine Hardrock-CD aufzulegen.
    Er greift wahllos eine aus dem Regal, ohne nachzusehen, um welche Gruppe es sich handelt. Dann legt er sie ein und drückt die Starttaste. Die CD-Lade verschwindet geräuschlos in ihrem Fach, Mit einer geradezu zornigen Geste dreht er den Lautstärkeregler auf

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