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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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oder gar nichts von Bedeutung ergeben hat. Die Experten haben das Boot Zentimeter für Zentimeter unter die Lupe genommen, und nichts ist dabei 72

    herausgekommen. Wir haben ein graphologisches Gutachten über die Inschrift auf dem Tisch eingeholt, aber auch hier warten wir noch auf Resultate. Wir sitzen alle da und beten, dass es nicht so ist, wie es scheint …«
    Auf dem Gesicht des Amerikaners deutete sich ein leises Interesse an seinen Worten an. Er kannte Franks Geschichte und wusste, dass es kein schönes Päckchen war, das er mit sich herumtrug. Nach dem Verlust seiner Frau und den Umständen, die dazu geführt hatten, schien Frank sich systematisch der Selbstzerstörung zu überlassen, als fühle er sich verantwortlich für alle Übel der Welt.
    Er hatte schon Menschen in Alkohol oder härteren Sachen untergehen, andere sich sogar das Leben nehmen sehen in dem verzweifelten Versuch, Schuldgefühle auszuradieren. Doch Frank blieb bei klarem Bewusstsein und unversehrt, als wolle er dem Vergessen entgegenwirken, als sei er wild entschlossen, Tag für Tag ohne jede Erleichterung seine Strafe abzubüßen. Das Urteil war gesprochen, und er war Richter und Verurteilter zugleich.
    Hulot setzte sich und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Frank saß regungslos mit übereinander geschlagenen Beinen in seinem Sessel und schwieg. Nicolas fuhr fort, als bereite es ihm fast unerträgliche Mühe.
    »Und wir haben nichts in der Hand. Rein gar nichts. Wahrscheinlich hat unser Mann die ganze Zeit einen Taucheranzug getragen, inklusive Schuhe, Handschuhe und Kapuze. Das bedeutet, keine Fingerabdrücke, keine organischen Spuren, also keine Hautfetzen und keine Haare. Er hat Fuß- und Handabdrücke zurückgelassen, die auf einen so durchschnittlichen Körperbau verweisen, dass er auf Millionen Menschen zutreffen könnte.«
    Hulot machte eine Pause. Franks Augen schienen zwei Kohlenstücke zu sein, dunkel wie der Stollen, aus dem sie gegraben worden waren.
    »Wir haben angefangen, die Opfer unter die Lupe zu nehmen. Du kannst dir vorstellen, wen zwei Menschen wie diese im Lauf ihres Lebens alles so getroffen haben, ständig unterwegs von hier nach dort …«
    Plötzlich, von einer spontanen und unwiderstehlichen Idee gepackt, fuhr der Kommissar hoch.
    »Wieso hilfst du mir nicht, Frank? Ich kann deinen Chef anrufen lassen. Ich kann ihn bitten, die entsprechenden Fäden zu ziehen, damit wir dich als Mitarbeiter für die Ermittlungen bekommen, in 73

    die du schließlich schon bestens eingeweiht bist. Im Grunde haben wir das ja auch früher so gemacht. Außerdem ist eines der Opfer amerikanische Staatsbürgerin. Du bist genau der Richtige für einen Fall wie diesen. Du sprichst perfekt Italienisch und Französisch, bist vertraut mit der Arbeitsweise und der Mentalität der europäischen Polizei. Du kennst die Leute hier. Du bist genau der richtige Mann am richtigen Ort.«
    Seine Stimme streifte Franks Gesicht wie der Wind, den ein Gewitter vor sich hertreibt, doch die Wolken in seinen Augen schienen von einem anderen Unwetter zu stammen.
    »Nein, Nicolas. Du und ich, wir teilen nicht dieselben Erinnerungen. Ich bin nicht mehr, was ich einmal war. Und werde es nie wieder sein.«
    Der Kommissar erhob sich aus seinem Sessel, ging um den Schreibtisch herum und hockte sich dicht vor Frank nieder. Er beugte sich ein wenig vor, als ob er seinen Worten dadurch mehr Gewicht verleihen könne.
    »Ist dir eigentlich noch nie in den Sinn gekommen, dass das, was Harriet passiert ist, möglicherweise nicht deine Schuld war? Oder zumindest nicht allein deine Schuld?«
    Frank wandte den Kopf ab und sah aus dem Fenster. Sein Kiefer verspannte sich, als wollte er mit den Zähnen eine Antwort zurückhalten, die er sich schon allzu oft gegeben hatte. Sein Schweigen regte Hulot allmählich auf, und er wurde lauter.
    »Himmel, Frank! Du weißt, was los ist. Ich habe es in deinen Augen gesehen. Da draußen läuft ein Mörder herum, der zwei Menschen getötet hat und noch weiter morden kann. Ich habe keine Ahnung, was wirklich in deinem Kopf vor sich geht, aber meinst du nicht, dass diesen Irren stoppen zu helfen eine gute Möglichkeit wäre, um sich besser zu fühlen? Meinst du nicht, anderen zu helfen, könnte eine Möglichkeit sein, auch dir selbst zu helfen? Dir zu helfen, nach Hause zurückzukehren?«
    Frank ließ seinen Blick wieder zu seinem Freund hinüberwandern. Seine Augen waren die eines Mannes, der sich an jedem Ort der Welt fremd fühlen

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