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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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Kirche allerdings – jede Kirche – fand vor Mamas Augen keine Gnade. Ihr Lieblingsthema waren die Verbrechen der Kirche während der Kreuzzüge. Besonders gern diskutierte sie darüber mit Geistlichen, die ihr fundiert Paroli bieten konnten, das würzte das Gespräch. Mit waschechten Theologen überGlaubensfragen zu streiten war eine der Lieblingsbeschäftigungen meiner Mutter.
    Als ich nun ein paar Mal weinend von der Schule nach Hause gekommen war, machte sie sich zurecht und besuchte den Gemeindepfarrer, der an unserer Schule den Religionsunterricht abhielt. Sie wirkte, als würde sie auf eine Party gehen, euphorisiert von der Aussicht auf ein spannendes Streitgespräch.
    Der Pfarrer war jung und modern, meine Mama jung, hübsch und gebildet, und so verbrachten sie viele Stunden in angeregter Diskussion. »Ein rrrrreizender Mann«, schwärmte Mama, als sie zurückkehrte.
    »Und was sagt er? Darf die Kleine nun in den Religionsunterricht?«, fragte Papa gespannt.
    »Natürrrrlich! Er versteht, dass ein Kind nicht unglücklich sein soll, nur weil es anders getauft ist. Sie darf in den Unterricht, wenn ihr sonst das Chärz bricht!«, sagte Mama und fühlte sich als Gewinnerin.
    Das nächste Mal brach mir im darauf folgenden Jahr das Herz, als alle anderen Mädchen mit ihren Müttern in die Innenstadt gingen, um sich weiße Kleider für die Erstkommunion auszusuchen. »Du willst auch eine katholische Kommunion?«, fragte Mama. »Du sollst eine Kommunion haben!« Also verbrachte sie wieder angeregte Stunden bei dem netten jungen Pfarrer, und ich durfte zur Erstkommunion.
    Womit Mama nicht gerechnet hatte, war, dass ich die katholische Gemeindekirche nach der Erstkommunion weiter besuchen würde – und zwar jeden Sonntag. Ich stellte mir extra den Wecker, schlüpfte in mein gutes Kleid und marschierte Hand in Hand mit Monika, meiner besten Freundin aus der Schule, zum Gottesdienst. Wenn wir mit der Kommunion an der Reihe waren, schenkte unser Pfarrer mir unverhofft eingemeindetem Schäfchen immer ein sanftes Lächeln, und indiesen Momenten war sicherlich er es, der sich in dem Wettstreit mit Mama obenauf fühlte. »Das ist nur eine Phase!«, sagte meine Mutter, etwas verunsichert, zu Hause zu Papa über meine Frömmelei.
    Stattdessen weiteten sich meine Glaubensbekenntnisse aus – auf Kirchenbesuche in Griechenland. Cousine Anna, die ebenso wenig zum Glauben angehalten wurde wie ich, hatte nämlich ihrerseits Interesse an der Kirche entwickelt: Unser Glaube war zwangsläufiger Bestandteil unserer Oppositionshaltung gegenüber den Erwachsenen in unserer Familie. Es war allerdings nicht so, dass wir nur zur Kirche gingen, weil die Großen Agnostiker waren – wir fühlten uns tatsächlich dem lieben Gott nahe und verspürten echte Hingabe, wie sie nur Grundschülerinnen so unbedingt empfinden können. In griechisch-orthodoxen Kirchen war meine Hingabe sogar noch tiefer, das lag an den beeindruckenden Begleitumständen, von denen ich Monika zu Hause in München begeistert berichtete:
    »In griechischen Kirchen gibt es nicht nur so ein bisschen Weihrauch – da dampft der Weihrauch die ganze Zeit. Das ist ein Duft, der haut einen um! Und dann gibt es überall Ikonen, die muss man küssen!«
    »Aber ist das nicht eklig, wenn alle die Bilder küssen?«, fragte Monika.
    »Sie sind ja meistens hinter Glasrahmen, die werden wahrscheinlich ab und zu abgewischt. Aber ein bisschen eklig ist es schon – man sieht den Lippenstift von den Frauen daran.«
    Monika rümpfte die Nase.
    »Der Pfarrer heißt papas und trägt einen langen Bart und schwarze Kleider. In der Kirche singen die Pfarrer die ganze Zeit, so ähnlich wie in der Oper. Sie müssen eine Gesangsausbildung machen, und wer keine gute Stimme hat, kann nichtPriester werden. Sie dürfen außerdem heiraten und Kinder haben, wie bei den Evangelischen. Und jedes Mal zünde ich in der Kirche Kerzen an!«
    »Echt?«, fragte Monika.
    »Klar. Die Kerzen zündet man an, wenn man sich was wünscht. Dass jemand, der krank ist, wieder gesund wird zum Beispiel. Überall am Eingang sind glänzende Messingständer für die vielen brennenden Kerzen. Jeder kauft in der Kirche Kerzen und zündet sie an. Weil – damit verdient die griechische Kirche ja ihr Geld. Es gibt nämlich keine Kirchensteuer!« Das hatte ich natürlich von Papa gehört.
    Mein Bruder konnte sich weniger für die Orthodoxie erwärmen. Es waren dabei nicht so sehr die Kirchen, die er ablehnte, sondern viel mehr die

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