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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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bereits vom »Ftuftuftu«, den Bespuckungen, die ihn ablenken sollten. Auch wusste ich, dass es half, stets etwas Blaues am Körper zu tragen. Auch ein mati tis thalassas , ein so genanntes Meeresauge, kann einen vor dem Blick bewahren – die stilisierten blauen Glasaugen gibt es heute noch in griechischen Schmuck- und Souvenirläden. Oft werden sie mit dem orthodoxen Kruzifix kombiniert, und so sind Glaube und Aberglaube miteinander vereint – wie so oft in Griechenland.
    »Aber Rita, wie wird man denn verhext?« So richtig hatte mir das noch niemand auseinandergesetzt.
    »Wenn jemand neidisch auf dich ist, weil du jung bist und gesund. Oder weil du gute Noten in der Schule hast oder deine Eltern Geld haben. Dann passiert das ganz von selbst.«
    »Und warum machen dann alle immer ftuftuftu, wenn sie etwas Nettes sagen?«
    »Mit nett gemeinten Dingen kann man auch verhext werden. Ich muss da aufpassen, denn ich habe blaue Augen. Blauäugige können andere Menschen besonders oft verhexen, auch wenn sie das gar nicht wollen!«
    Ich war beeindruckt: »Menschen mit blauen Augen haben also öfter den bösen Blick?«
    »Und wie! Und solche mit schwarzen Augen!«
    »Das sind ja hier in Griechenland fast alle!«
    Da lächelte Rita geheimnisvoll und sagte: »Man weiß nie, wer den Blick hat – meistens wissen es die Leute selbst nicht.«
    Rita kannte sich außerdem in Traumdeutung aus und las uns die Zukunft aus Mokkatassen. Und sie lehrte uns, Patiencen zu legen. Wir saßen mit ihr am Küchentisch und legten so lange Patiencen, bis endlich eine aufging, das bedeutete: Annas Schwarm aus dem Plattenladen würde sie anrufen.
    Rita legte selbst stundenlang Patiencen, auch wenn Onkel und Tante oft schimpften, wenn sie nach Hause kamen und ihre Hausangestellte in die Karten vertieft am Küchentisch vorfanden: »Rita!«, stöhnte Onkel Michalis dann. »Warum hast du denn meine Hemden nicht gebügelt?! Ich habe gar nichts mehr anzuziehen für die Praxis.«
    » Siga, siga, immer mit der Ruhe, das mache ich schon noch, heute oder morgen«, sagte Rita dann. »Ich bin doch keine filipina .« In jener Zeit gab es viele (illegale) Philippinerinnen, die in griechischen Haushalten hart schufteten. »Ich bin doch keine filipina « war deshalb ein geflügeltes Wort, wenn jemand ausdrücken wollte, dass er sich nicht knechten ließ.
    »Diese Rita!«, sagte Michalis und schüttelte den Kopf. »Typisch griechisch! Die Griechen lassen sich einfach nichts sagen, auch nicht vom Chef. Denen ist auch ganz egal, ob einer wohlhabend ist oder einflussreich. Das macht bei ihnen keinerlei Eindruck. Die denken bloß: Wer bist du schon, du hast mir gar nichts zu befehlen!«
    Ich richtete mich auf einen längeren Vortrag ein – die Lust des Onkels am Schwadronieren über das Leben im Allgemeinen und die Griechen im Besondern kannte ich ja bereits.
    »Das ist auch das Problem mit Griechenland – dass jeder kleine Angestellte die Anweisungen seines Chefs in Frage stellt. Die Engländer aber sagen ›Yes, Sir!‹ und verbeugen sichauch noch. Und die Deutschen sagen ›Jawoll!‹ und schuften, wenn der Chef das von ihnen verlangt. Deswegen sind dies reiche Länder geworden. Die Griechen aber – nichts! Katzbuckeln – das ist ihnen völlig fremd!« Er seufzte, aber gleichzeitig schmunzelte er, und es war ihm anzumerken, dass ihn diese levantinische Eigenschaft auch mit Stolz erfüllte und er von Katzbuckelei grundsätzlich nicht viel hielt.
    »Die Philippinerinnen machen auch alles, was man ihnen sagt«, mischte sich Rita ein. »Aber, Kyrie Michali, Herr Michalis, sei du ruhig froh, dass ihr mich habt!«, und sie trat an den Herd, auf dem in einem riesigen Topf Artischockenböden in Avgo-Lemono, Eier-Zitronensoße, schmorten, ein typisches griechisches Fastengericht. »Denn das hier kocht dir keine filipina !«

    Zwar war ich alt genug, mich für Plattenläden und Jungs zu interessieren, natürlich war ich aber auch irgendwo noch ein Kind. Deshalb geriet ich ebenso in Entzücken wie mein jüngerer Bruder, als wir auf dem Markt einen Kleinlaster mit frisch geschlüpften Küken auf der Ladefläche sahen. Als wir dann auch noch erfuhren, dass die Küken angeboten wurden, um in der Osterzeit als Geschenke für Kinder zu fungieren, waren wir völlig aus dem Häuschen. Pappous war tatsächlich bereit, uns zwei Küken zu kaufen. Der Verkäufer packte sie in braune Papiertütchen mit eingestanzten Luftlöchern. Sie piepsten die ganze Busfahrt über.
    Mama verzog

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