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Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)

Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)

Titel: Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelle Groom
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Fragen, die ich Julia stellen will, ich sitze oben an einem kleinen Tisch in einem großen Zimmer mit Kamin und einer Musikanlage. Mark hatte mich gefragt: »Welche Musik hörst du gern?« Ich wusste nicht, wie ich sie beschreiben sollte. Ich wähle ein Genre mit dem Title »Acoustic«, blau oder eine andere Farbe, und ein schottischer Sänger, den ich gern höre, fängt an zu singen. Eigentlich sind es zwei Zimmer, zwei Sofaecken – eine Filmleinwand an der hinteren Wand, die Tür um die Ecke. Ein weißer Balken neben der Musikanlage versperrt den Blick auf die Tür, sodass ich abgeschieden hinter dem Kamin sitze.
    Am höchsten Baum sind die obersten Äste kahl. Im mittleren Bereich wachsen die Äste seitwärts statt nach oben. Dort sehen sie nicht aus wie zur Flucht bereit erhoben, sondern scheinen sich eher zu einer Berührung auszustrecken. Die Bäume in Frieden. Es wird alles weiß sein. Es wird Schnee geben. Das ganze Grün darunter verborgen. Die gelben Blätter wie Pik-Spielkarten. Eine dünne, dürre Pflanze mit kleinen roten Herzen und matten Zungen, etwas, das ausgerissen wurde. Eine andere Pflanze aus grün-gelben Sternen. Eine mit rautenförmigen Blättern, rot und gelb, die schwer herabhängen, aber seidendünn sein müssen – Hängeohrringe –, weiße Blüten oben und auf dem Boden. All das hebt den wolkigen Himmel.
    Julia sagt: »Wenn du in die Stadt möchtest, kannst du den Jeep nehmen.« Die Stadt klingt wie eine riesige Ausdehnung von Weiß, als würde man einen Schlag ins Gesicht bekommen und sollte dann die richtige Straße finden. Was soll ich in der Stadt? Ich erinnere mich an den Busbahnhof, die Fahrt im Auto mit Mark, unsere Ankunft am Ende dieser Sackgasse. Vor Jahren habe ich ein Restaurant am Wasser gesehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es in Falmouth war. Kann ich nach Brockton fahren, zum Friedhof? Darf ich das erbitten? Das ist nicht in der Stadt – vielleicht meint sie es so, ihr Angebot gilt nur für eine kurze Entfernung. Kann ich das fragen, ohne sie zu verletzen? Allein im Auto auf einer Straße würde ich mich beruhigen, könnte mich auf Fremde verlassen. Heute ist Freitag. Bleibt noch Samstag. Bleibt Sonntag. Wann kann ich meine Fragen über Tommy stellen? Vielleicht am Sonntag, dem Tag, bevor ich fahre? Damit es danach nicht so schwer ist? Der Schnee wird alles zudecken. Ich kann Flammen im Fenster sehen, klein, zusammensackend, dann aufflackernd über den friedlichen Bäumen, die einfach leben.
     
    2 .
     
    Das Haus ist ganz neu. Hier wird es keine Babysachen geben, keine Babyschuhe. »Sorg« war das ursprüngliche englische Wort für »sorrow«, was »Kummer« oder »Sorge« bedeutet. »Sorgian« ist das Verb, trauern. Wind stammt von »windan« – sich schnell bewegen, sich drehen, wirbeln. »Wunden« bedeutet zur Zierde umwunden. Man kann es mit »wund« verwechseln, gleich Verletzung, Wunde. Als die Wörter geschaffen wurden, brauchte jemand diese. Es ist Freitagabend, und niemand in diesem Haus hat seinen Namen gesagt. In einem silberfarbenen Auto sind wir durch die Dunkelheit zum Südwestzipfel von Cape Cod gefahren, unter uns Gletscher. Eine Ausdehnung von Wasser zwischen uns und den Elizabeth Islands, winzigen Inseln im Besitz der Reichen, eine pro Familie. Drei Meilen Richtung Norden und übers Wasser liegt Martha’s Vineyard – von hier geht die Fähre. Verpasst man die letzte, geht erst am nächsten Morgen wieder eine. Boston ist siebzig Meilen Richtung Süden. Julia fragt mich, ob ich »Bar-Pizza« mag. Ich habe noch nie Pizza in einer Bar gegessen, aber ich merke, dass es für sie etwas Besonderes ist. Deshalb sage ich Ja, ich würde es gern versuchen. Am Tag nach Thanksgiving nehmen sie an, dass in der Pizza-Bar nicht viel los sein wird, aber der Parkplatz ist fast voll. »Heute haben wir mehr zu tun als an jedem anderen Tag im Jahr«, sagt die Hostess am Eingang. Zwischen der Kassentheke und den Nischen mit den Tischen eilen die Kellnerinnen hin und her. Zu dritt stehen wir an einem kreisrunden Holz wie eine Baumscheibe und warten lange auf einen Tisch. Ich stehe einer Kellnerin immer im Weg, ihrem Tablett mit Plastikgläsern, und Mark legt mir den Arm um die Schultern und zieht mich näher zu sich und Julia. Aber ich weiche wieder zurück, zum Ärger der Kellnerin, gehe wieder näher zu Mark und Julia. Ich weiß, ich habe das Gesicht meines Sohnes, aus seinen Augen sehe ich sie an. Angespanntheit ist wie ein Gewirk, von innen her gewebt – so nah

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