Ich uebe das Sterben
im Kino oder zu ausgedehnten Spaziergängen mit den Hunden, oder ich lade sie zum Essen zu Harald und mir ein.
Oder ich nehme ein Schafbad.
Christian hat eine kleine, aber feine Herde mit zwanzig bis dreißig Rhönschafen. Sie sind fast alle menschenbezogen und friedfertig, lassen sich gerne in der zotteligen Wolle kraulen oder mit Leckereien aus der Hand füttern. Manche Lämmer werden auch mit der Flasche großgezogen und scheinen gar nicht zu wissen, dass die Menschen, die ihnen das Fläschchen gegeben haben, keine Schafe sind.
Nicht so schmusig sind die Tiere allerdings, wenn man ihnen an die Wolle will. Schafe scheren ist nicht nur harte Arbeit für die Menschen, sondern auch für die Tiere. Aber es ist ein einzigartiges Gefühl, wenn man abends einen kompletten Anhänger voll mit selbst geschorener Wolle vorweisen kann und die Schafe laut schimpfend, leicht orientierungslos und ziemlich nackig ihren Platz im Leben wieder suchen. Der Geruch der Schafe klebt noch Tage später unter den Fingernägeln. Ein schönes Andenken für mein Buch der Erinnerungen.
Genau wie ein Schafbad. Wenn ich mich einfach nur hinstelle, zwischen all die Schafe, die sich dann an mich randrücken – warm und wollig –, dann ist das unbeschreiblich und sehr entspannend und für mich ein Stück vom Glück.
Och
Und was sich nicht ändert, an dem bin ich noch dran
Kleb an den Sternen, bis einer dann fällt
Das Leben ist gerissen, aber nicht jetzt
Es kriegt endlich Flügel, fliegt auf und davon
( zittiert aus »Glück«
von Herbert Grönemeyer )
Von Kliniken und Ärzten
E s ist so weit: Och ist eingetroffen. Ich bekomme das Gerät mit der Seriennummer 186, eines der ersten Geräte, die weltweit implantiert werden. Ich bin stolz, dass ich dieses Privileg habe. So, wie andere Menschen auf einen neuen Computer oder ein topaktuelles Mobiltelefon warten, habe ich auf den Teligen gewartet. Ein kleines Wunderwerk der Technik – und noch so wunderbar lebensrettend dazu.
Mich fasziniert die Technik des Defibrillators immer wieder, obwohl mein technisches Verständnis nicht allzu groß ist. Die Mitarbeiter von Boston Scientific, von denen ich in den letzten Jahren einige kennengelernt habe, erklären mir die technischen Details und beantworten alle meine Fragen.
Es ist gut, viel über den Defibrillator zu wissen, denn das gibt mir das Gefühl von Sicherheit. Schließlich vertraue ich der kleinen Metallkiste mein Leben an.
Ted und Bob haben in den letzten Jahren perfekt gearbeitet, und ich habe keine Zweifel, dass auch Och seine Arbeit einwandfrei machen wird.
Als ich Ende Februar die Kerckhoff-Klinik betrete, ist es, als ob ich nach einer langen Reise wieder nach Hause komme. Obwohl mir die Umgebung so vertraut ist, ist meine Kehle wie zugeschnürt.
Vor der Operation finden die üblichen Untersuchungen und Vorbereitungen statt. Glücklicherweise kenne ich auch den Chirurgen bereits. Es ist ein beruhigendes Gefühl, mein Leben in die Hände eines Menschen zu legen, der mir nicht fremd ist.
Die Operation ist auf den frühen Morgen angesetzt worden, aber der Termin kann nicht eingehalten werden. Um neun Uhr werde ich ein wenig ungeduldig, um elf Uhr habe ich Hunger, um zwölf Uhr bekomme ich Kopfschmerzen, und als ich gegen dreizehn Uhr endlich in Richtung Operationsbereich laufe, ist mir eiskalt, und ich bin nervös und schlecht gelaunt.
Aber das freundliche Team im Operationsbereich nimmt mir mit einer Wärmedecke die Kälte, mit ein paar lustigen Sprüchen die schlechte Laune, und auch die Nervosität lässt spürbar nach.
Ich schlummere weg.
Ich friere unter meinen zwei Decken und möchte gerne aufstehen, weil ich auf die Toilette muss. Meine Sicht ist verschwommen, weil ich keine Kontaktlinsen trage und meine Brille vergessen habe. Ich bin in einer Art Dämmerzustand und wäre gerne wach. Alles in allem bin ich ein jämmerliches, jammerndes Häufchen auf der Wachstation. Auch wenn ich diese schwierige Situation bereits kenne, weil mir die Narkose fast immer heftig aufs Gemüt schlägt, ist es einfach nur schrecklich für mich. Ich habe das Gefühl, als sei ich nicht Herr meiner Sinne, erlitte eine Art Kontrollverlust. Und das zieht mich dann noch weiter runter.
Meine Stimmung bessert sich, als mein Chirurg mir Bob zur Erinnerung in die Hand drückt. Der Arzt erzählt mir, dass es während meiner Operation zugegangen sei wie auf dem Schlachthof, weil meine Blutungen extrem und schlecht zu stoppen gewesen seien. Aus diesem Grund
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