Ich uebe das Sterben
einzuhauchen, indem es mit mir und meiner Geschichte in Verbindung gebracht wird.
Zunächst bin ich nur mäßig begeistert. Nicht wegen der Reise nach Berlin, sondern weil ich Telemonitoring für überflüssig halte. Telemonitoring ist eine Fernüberwachung, in diesem Fall von Defi-Patienten. Das Telemonitoring-Gerät wird einfach in die Telefonbuchse gesteckt und übermittelt somit dem behandelnden Arzt täglich wichtige Informationen über den Zustand von Aggregat und Patient. Das spart Wege und Zeit und bietet zudem eine große Sicherheit.
Die Vorteile dieser Methode, die ich anfangs nicht wirklich erkenne, leuchten Harald sofort ein. Er ist total begeistert und führt mir vor Augen, was Latitude tatsächlich für mich bedeutet: mehr Freiheit, mehr Freizeit und weniger Angst.
Wo er recht hat, hat er recht. So habe ich das bisher nicht gesehen. Stattdessen dachte ich beim Thema Telemonitoring immer sofort an komplette Überwachung. Jetzt, als ich mich mit dem Thema zum ersten Mal detailliert auseinandersetze, sehe ich das aus einem neuen Blickwinkel.
Beim Telemonitoring werden die Daten einer Schockabgabe meines Defibrillators direkt in die zuständige Klinik übermittelt und dort ausgewertet. Das bedeutet für mich, dass ich mehr Freizeit habe, weil ich mir teilweise die Anreise für Nachsorgeuntersuchungen sparen kann. Außerdem muss ich bei meinen zahlreichen Schockabgaben nicht jedes Mal mit dem Zug in die Klinik tingeln, sondern der Arzt entscheidet, ob es »wie immer« war oder ob es Unregelmäßigkeiten gab, die der genaueren Untersuchung bedürfen. Des Weiteren habe ich mehr Freiheit, weil ich reisen kann, ohne eine Liste von Kliniken mitzunehmen, um dann – im Falle eines Falles – doch irgendwo zu landen, wo man keine Ahnung hat.
Die Veranstaltung in Berlin überzeugt mich vollends: So ein Ding will ich haben. Ich treffe viele sehr interessante und nette Menschen von Boston Scientific. Einige kenne ich schon, andere bereichern mit interessanten Gesprächen und ihrem Fachwissen meinen Aufenthalt in Berlin.
Mein Vortrag erfüllt mich ein klein wenig mit Stolz, denn als ich fertig bin, scheint der Applaus gar kein Ende zu nehmen, und ich bekomme einen riesigen Blumenstrauß überreicht. Die Menschen sind bewegt von meiner Geschichte, und ihre Anteilnahme ist echt.
Zurück aus Berlin, habe ich einen Termin zur Leistungsdiagnostik im Herz-und Kreislaufzentrum Rotenburg an der Fulda. Dort kenne ich zwei Ärzte. Klaus ist spezialisiert auf Leistungsdiagnostik bei Herzpatienten, Stefan ist Arzt für Herzrhythmusstörungen und Defibrillatoren. Die perfekte Kombination für mich.
Die Leistungsdiagnostik ist enttäuschend; denn sowohl Klaus als auch ich hatten bessere Ergebnisse erwartet. Aber ich bin schnell schlapp, die Beinmuskulatur brennt, und ich atme wie ein Walross. Aber Klaus will Trainingstipps für mich ausarbeiten und wird mir unterstützend zur Seite stehen, was meine sportlichen Projekte anbetrifft. Das begeistert mich und baut mich auf.
Mit Stefan spreche ich über das tolle Telemonitoring-Gerät. Er ist begeistert und meint, ich sei genau der richtige Patient dafür. Er wird sich darum bemühen, dass ich ein Latitude-System bekomme. Die Chancen dafür stehen gut, denn das Herz- und Kreislaufzentrum Rotenburg ist Teil eines Pilotprojektes für Latitude.
Och fällt in einen Sommerschlaf, und ich renne weiter.
Mitte Juli fahre ich mit meinem Paps nach Offenburg, wo er an einem Triathlon teilnimmt. Dieser Ausflug wird zu einem wunderbaren Vater-Tochter-Erlebnis.
Ich finde es absolut faszinierend, wie fit mein Paps mit seinen fünfundsiebzig Jahren ist und mit welcher Freude er sich bewegt. Dabei muss er sich weder mit seiner Leistung noch mit seiner Figur vor den ganzen Jungspunden um ihn herum verstecken.
Es wird mir einmal mehr klar, woher ich meine Leidenschaft für den Ausdauersport habe. Und ich hoffe sehr, dass ich dieses Hobby noch viele Jahre mit meinem Paps teilen kann. So glücklich wie auf dem Treppchen bei der Siegerehrung zum ersten Platz in der Altersklasse und gleichzeitig ältestem Teilnehmer des Wettkampfes habe ich meinen Paps selten gesehen.
Dieses Erlebnis und besonders der Moment auf dem Siegerpodest finden einen Platz in meinem Buch der Erinnerungen. So allmählich wird es bedenklich voll.
Nachdem Och nun schon seit ganzen acht Wochen auf Sparflamme läuft, werde ich wieder einmal ein wenig übermütig.
Am ersten Wochenende im August fahren Harald und ich zu einem
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