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Ich übe für den Himmel

Ich übe für den Himmel

Titel: Ich übe für den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patmos
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solle ich mit in sein Zimmer gehen, sie und Papa wären doch bei mir.
    Da habe ich zu mir gesagt, lieber Mut, komm bitte zum Vorschein. Plötzlich konnte ich es und bin mit meinen Eltern zu Tommy gegangen, um noch einmal Abschied zu nehmen. Vor der Tür war meine Angst aber noch so riesig wie ein Elefant.
    Tommys Eltern hatten ihm Eddies Blumenstrauß in die gefalteten Hände gelegt und den Verband von seinen Armen abgenommen. Die Federn aus dem Verband lagen neben seinem Gesicht auf dem Kopfkissen. Tommy sah sehr schön aus. Ich wollte gar nicht glauben, dass er nicht mehr atmete, nie mehr. Nie mehr sprechen, nichts mehr hören, sehen, fühlen und riechen würde.
    Seine Augen waren zwar geschlossen, aber er strahlte trotzdem über das ganze Gesicht. Ich durfte ihn anfassen und habe sein Gesicht gestreichelt. Es war noch warm und fühlte sich sehr weich an. Er trug seine Snoopy-Kappe mit den Federn dran und die große Feder auf seinem Herzen war auch noch da. Nur, jetzt war Tommy für immer ruhig am ganzen Körper. Kein Augenzwinkern mehr, kein kleines Wedeln mit den Händen. Ich glaubte fest daran, dass er mir vielleicht doch noch ein Zeichen geben würde. Da hörte ich seine Stimme. Ich war mir ganz sicher, dass er zu mir sagte: »Ich bin angekommen, Isha. Es ist hier genauso, wie ich es dir gesagt habe. Lebe wohl!«
    Aber das habe ich für mich behalten, dass Tommy zu mir gesprochen hat. Vielleicht hat er zu den anderen im Zimmer auch noch etwas gesagt. Mein riesengroßer Angstelefant war zu einem kleinen Babyelefanten zusammengeschrumpft.
    Draußen im Flur habe ich furchtbar geheult und Mama und Papa weinten auch, nur nicht so laut wie ich. Mir war es egal und hinterher fühlte ich mich ein bisschen besser. Es war so schrecklich und traurig. Es war alles so neu und so verwirrend für mich. Aber es war auch schön. Weil Tommy schön war und nur noch ein kleiner Angstelefant neben mir stand.
    Aber der gehört zum Totsein dazu, denke ich.
    Der Tag gestern war schrecklich lang und ging doch schnell vorüber, weil immerzu etwas passierte:
Neue Nachbarn
Mein allererster Auftritt als Isha-Clown mit Mama und Papa
Tommys Flug in den Himmel
Ich habe einen Toten angefasst und mich kaum gefürchtet
    Das ist ein bisschen sehr viel für einen einzigen Tag und auch für mich und deshalb werde ich entweder in meinem Zimmer bleiben oder mich auf Tante Antje setzen, mit meinem Bruder Eddie, einem spannenden Buch und meinem Notizheft. Ich habe Eddie versprochen, seine Fragen zu beantworten, heute.
    Seufz. Und wieder Seufz, ganz viele Seufzer. Mindestens zweihundert Mal. Das Heft reicht heute für meine Seufzer gar nicht aus.
    Isha
    Ich klappe das Notizheft zu, ziehe ein frisches T-Shirt an. Eddies und mein Zimmer sind unter der Dachhaube, klein, aber gemütlich. Auf nackten Füßen gehe ich in Gedanken die steilen Holzstufen nach unten. Die Tür zur Küche ist geöffnet, Mama steht an der Spüle mit dem Rücken zu mir. Ich schmiege mich an ihren Rücken und lege meine Arme um ihren Bauch. Wir wiegen uns hin und her, bis Mama fragt:
    »Alles in Ordnung, Isha?«
    »Nicht so ganz.«
    »Mach heute einfach nichts, wozu du keine Lust hast.«
    Ich seufze schon wieder, ganz tief, und setze mich an den Küchentisch. Mama hat mir einen Teller mit dunkelroten Kirschen hingestellt, eine Schale mit Joghurt und frischen Walderdbeeren.
    »Wo sind Eddie und Papa?«
    »Unten an der Elbe. Sie sind bei Sagebiels Fährhaus die Treppe runtergegangen, um neue Federn zu sammeln. Es ist ja erst acht Uhr und ablaufendes Wasser. Außerdem sind noch nicht so viele Touristen unterwegs. Eddie wollte mit Papa allein sein. Sie gehen bis ans Falkensteiner Ufer und kommen dann zurück.«
    Schade, ich wäre gern mitgegangen, damit das Durcheinander in mir weggeht. Das gluckernde Wasser am Elbufer beruhigt mich meistens. In meinem Kopf dreht sich ein lautes, wirres Karussell, das nicht daran denkt anzuhalten.
    Ich esse meinen Joghurt mit den Walderdbeeren und schweige Mama an.
    Sie lässt mich in Ruhe und geht in ein anderes Zimmer. Esmeralda hat sich auf meine Füße gelegt und ich überlege, was ich mit dem langen Sonntag, der noch vor mir liegt, machen kann.
    Ich brauche nicht lange zu überlegen, denn in Nachbars Garten wird geschrien und gekreischt. Was ist denn da schon wieder los? Meine Neugier treibt mich zur Küchentür.
    Ich gebe Esmeralda einen kleinen Schubs, sie sieht mich beleidigt an und trippelt mit schaukelndem Hintern vor mir her in den Garten

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