Ich und andere uncoole Dinge in New York
eigentlich meine Hose lieber anbehalten, aber irgendwie kann ich ja jetzt nicht aufhören, wo wir angefangen haben und ich will nicht wieder alles kaputt machen und ich lasse die Augen einfach geschlossen und versuche, vor allem nicht zu denken, und irgendwann tut es weh, aber so muss es wohl sein. Jetzt sind wir zusammen. Ich habe ihn gefunden. Ich lasse die Augen geschlossen und warte einfach ab. Aber Peter sagt nichts und als ich viel später die Augen endlich öffne, schläft er. Mein Herz hämmert, aber trotzdem falle ich irgendwann in einen dämmrigen Halbschlaf, aus dem ich von einer in meinem Magen wütenden Übelkeit herausgerissen werde. Ich schaffe es gerade noch zur Toilette, bevor ich mich übergeben muss. Mein Magen hat sich immer noch nicht an den vielen Alkohol gewöhnt und Kolja mit seinen eingelegten Fischen hat Müll erzählt. Dann stehe ich einen Moment unschlüssig vor dem Bett. Warum schaffen Peter und ich es eigentlich nicht, uns zu sehen, also allein zu sehen, ohne betrunken oder übermüdet zu sein? Eigentlich weiß ich immer noch nicht, wie es ist, mit jemandem zu schlafen, obwohl ich es doch vor wenigen Stunden tatsächlich getan habe, weil ich mich gar nicht genau erinnern kann. In meinem Kopf ist ein Strudel, aber ich kann eigentlich nicht glauben, dass ich gerade meine Jungfräulichkeit verloren habe. Das kommt mir ganz irreal vor. Irgendwie hatte ich mir alles grandioser vorgestellt und gedacht, danach wäre ich unfassbar glücklich, aber mir ist vor allem granatenmäßig schlecht.
Peter bewegt sich nicht. Am Fenster steht ein Teleskop. Wie romantisch, dass Peter sich gern Sterne anschaut. Halt, das ist natürlich Blödsinn, weil das Teleskop ja wie der Friseurtisch und das ganze Apartment diesem Promi-Frisör gehört, der gerade in L.A. arbeitet. Peter wohnt hier nur ein paar Monate zur Untermiete, um den strengen Regeln des Schülerwohnheims seiner New Yorker High-School wenigstens für den Sommer zu entkommen. Seine Eltern wohnen in Ohio. Ich bin darüber erleichtert, dass das nicht seine Wohnung ist, sonst hätten wir uns nur schwer über die Einrichtung einigen können, falls wir mal zusammenziehen sollten. Andererseits habe ich keinen Schimmer, was er eigentlich für einen Geschmack hat. Ich lehne mich vor und blicke durch das Okular des Teleskops. Eine Frau sitzt an einem Tisch und trinkt aus einer Tasse mit der Aufschrift Do not disturb. I’m disturbed enough already . Ich erkenne jede Falte in ihrem Gesicht und sogar ihre kleine Tätowierung am Fuß. Ich schrecke zurück, als könnte sie mich jeden Moment entdecken. Von der schnellen Bewegung wird mir schwindelig. Das Teleskop ist auf ein Fenster im Hochhaus gegenüber gerichtet. Mit bloßem Auge erkennt man nur schemenhaft eine sitzende Person. Mit dem Teleskop ist es so, als würde man in ihrer Küche stehen. Krass. Dieser Frisör ist ein komischer Typ.
Draußen hört man die Sirenen der Polizei- und Krankenwagen, die sich so altmodisch anhören, wie die Sirenen, mit denen in alten Spielfilmen Bombenalarm ausgerufen wird. Die Autos und sogar das unerbittliche Surren der Klimaanlage beruhigen mich inzwischen, so sehr bin ich daran gewöhnt. Peter hat sich auf den Bauch gerollt und sein Rücken zeigt nach oben. Seine Haare sind zerzaust und auf seinen Schulterblättern sind zwei kleine Muttermale. Ich wünschte, ich könnte genauso tief schlafen. Peter schläft immer unglaublich fest. Und dann sehe ich den Blutfleck auf dem Laken. Nicht riesig, aber unübersehbar. Oh nein. Und ich habe nicht meine Tage, weil ich wegen meiner chaotischen Hormone schon seit drei Jahren die Pille nehmen muss und deshalb genau weiß, dass sie erst in einer Woche anfangen. Ich starre einen Moment auf den schon angetrockneten Fleck. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Aber natürlich ist alles wahr, auch wenn in meinem Kopf alles verschwommen ist. In Italien würde man das Laken jetzt aus dem Fenster hängen und ein Fest feiern. Oder war das in der Türkei? Halt, wir sind nicht verheiratet, in Italien würde ich jetzt von meiner Familie verstoßen und in der Türkei von meinem Bruder erstochen werden. Aber meine Familie, als sie noch mit Vater, Mutter und Familienurlauben eine war, ist sowieso nur eine vage Erinnerung aus einem anderen Leben. Egal, vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wenn er sofort weiß, dass er der Erste war. Dann weiß er, was er mir bedeutet, und dass das eben nicht mal „eben so“ war. Trotzdem muss ich irgendwie hier
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