Ich und du Muellers Kuh
glernt, also da hab i überhaupt kei Angscht!«
Als wir aber später zum Auto hinunter gingen, faßte er mich am Ärmel.
»Du, Mulchen, i hab was vergesse. Du kannsch au Pech habe, aber daß du’s bloß weisch, ganz, ganz beschtimmt, was au passiert, i hab di lieb!«
Nichts passierte, außer daß der Zeitgenosse in der Probe auftauchte, sich neben Manfred setzte und die Hosenbeine arrogant übereinanderschlug. Prompt stolperte ich denn auch über ein Kabel, stieß ans Mikrophon und benahm mich so verworren, daß Dr. von Westen sich zu mir niederbeugte und flüsterte:
»Frau Müller, um Himmelswillen, Sie haben sich doch nicht etwa Mut angetrunken?«
»Kein Glas!« schwor ich, »keinen Tropfen!«
Der Zeitgenosse stand neben uns.
»Was ist mit ihr?«
»Sie ist verständlicherweise nervös«, sagte Dr. von Westen.
Der Zeitgenosse deutete eine Verbeugung an und sprach:
»Gnädige Frau, ich war bei Ihrem allerersten Auftreten dabei, wissen Sie es noch, Sie waren sich nicht ganz klar über die Fahrtrichtung des Zuges und überhaupt.« Ich nickte. Er bedachte mich mit seinem lieben, arroganten Lächeln und fuhr fort: »Ich habe es mir nicht nehmen lassen, auch Ihr letztes Auftreten durch meine Gegenwart zu verschönen, denn ich bin stolz auf Sie und würde es auch gerne bleiben. Darum, verdammt noch mal, reißen Sie sich zusammen!«
Er stolzierte auf seinen Platz zurück, und weil ich Manfred damals von ihm erzählt hatte und er fast genauso aussah und wirkte, wie ich ihn geschilderte hatte, so sprach Manfred ihn an. Sie saßen bald in angeregtem Gespräch versunken und fixierten mich nicht mehr mit ihren Blicken, so daß ich mich wieder normal bewegen konnte und die Probe gut hinter mich brachte.
Die Sendung verlief ohne Pannen, nur daß ich mit den Kopfhörern nicht zurechtkam und in der engen Glaskabine nach Luft ringen mußte. Aber dann erhob ich meine Augen und sah Manfreds Gesicht in der ersten Reihe, Gittis und Stefans etwas weiter hinten, und ich wurde ruhig.
Die Siegesfanfaren schmetterten früher als ich gedacht, und meine Fernsehkarriere war beendet.
Zum letzten Mal schmierte mir mein guter Geist in der Maske Creme auf das verschwitzte Gesicht. Wir sagten »Auf Wiedersehen« und wußten doch, daß wir uns nicht wiedersehen würden.
Erich Helmensdorfer war schon fort, als ich aus der Maske kam. Aber Dr. von Westen hatte gewartet, ebenso der Zeitgenosse. Im Regieraum hätten sie gesessen, sämtliche Daumen gedrückt und nach Behebung der Schwierigkeiten mit dem Kopfhörer fast keine Angst mehr gehabt.
Mit Gitti und Stefan zogen wir noch in ein Restaurant, um zu feiern, aber ich war traurig und hatte keinen Appetit. »Zu Hause auf dem Bildschirm wirkt alles viel schöner !« klagte Gitti.
»Ich habe vor lauter Kameras fast nichts gesehen!« schimpfte Stefan.
Im Auto legte Manfred seine warme auf meine kalte Hand.
»Nun bist du wieder bei uns, ich bin froh darüber, denn wir brauchen dich!«
Auf meinem Nachttisch stand ein Plakat.
DU WARST TOLL!! WIR SIND STOLZ AUF DICH!!!
Auf dem Kopfkissen lag eine Rose, dunkelrot und langstielig. Sie war schon ein wenig welk, aber sie duftete noch.
Die blaue Blume der Romantik und der Heilige Geist
»Was schreibst du da?« Ich beugte mich über Mathias, der brummend an seinem Schreibtisch saß.
»Ich darf in der Stunde keine Brausestengel lutschen!«
»Warum mußt du das schreiben?«
»Mensch, Mulchen, schtell di doch net so an! Weil i a paar glutscht hab, deshalb. D’Frau Kuchschmidt verschteht au kei bißle Spaß, und jetzt muß i’s zehnmal schreibe.«
»Man lutscht auch keine Brausestengel in der Schule, Mathias!«
Er seufzte.
»Des weiß i jetzt ja! Mensch, Mulchen, hasch du denn gar nix mehr zum Schaffe? Musch du immer gucke, was i mach? Des isch ja furchtbar!«
»Ich hab mit Frau Kuchschmidt gesprochen, sie ist nicht zufrieden mit dir, weil du frech bist und deine Hausaufgaben hinschlampst!«
»So? Aber daß i dr Beseht bin im Schport und am schnellste renn und a Urkunde krieg, des hat se dir natürlich net gsagt!«
»Nein, aber daß wir Diktate üben müssen, weil deine Rechtschreibung haarsträubend ist. Komm, wir schreiben gleich eins!«
»Was? I hab no net amal die Brauseschtengel fertig. Heut geht’s net und morge au net, weil i da nämlich bei dr Schuluntersuchung bin, und dr Vati muß mi hinfahre.«
Am nächsten Morgen trabte er aufgeregt von einer Ecke der Wohnung in die andere.
»Warum kommt er denn net? Er hat’s mr doch
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