Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
Wörtern bestand. Aus Bildern. Klängen. Distanz. Alles hatte damit begonnen, dass sie beide Informationen ausgetauscht hatten. Dann ein gemeinsamer Einsatz von Polizei und Guardia di Finanza , zwei Einheiten, die zwar unterschiedliche Uniformen trugen, aber dieselben Ziele verfolgen. Die Gerechtigkeit als gemeinsames Ideal. Telefongespräche. Mails. Und schweigsame Wochenenden. Ein Liebespaar, ohne es wirklich zu sein. Versteckspielereien. Keinerlei Berührungen und doch innig verbunden. Gemeinsame Gespräche, Seite an Seite auf einer Parkbank. Bestenfalls Hand in Hand. Wie zwei Teenager.
Sie wusste bereits, wie das war, in Gefühle verstrickt zu sein, die man nur schwer benennen konnte. Er nicht. Er hatte ihr gesagt: »Erst jetzt weiß ich, dass ich meine Frau bisher nie wirklich hintergangen habe.« Denn Sex war nicht das Gleiche wie ein fixer Gedanke, der dich den ganzen Tag nicht losließ. Das körperliche Begehren verlosch mit der Zeit, wenn auch langsam. Das seelische Begehren niemals.
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Armaturenbrett. Türfüllungen. Sitze. Auffällige Ausbuchtungen und Widerstände. Ein merkwürdiger Klang. Besonderes Augenmerk auf das kleinste Detail. Inzwischen waren echte Fachmänner am Werk. Ihre Waffe war der Schraubenzieher: Schlitz- und Kreuzschlitzschraubendreher, Pozidriv, Robertson, Torx. Wissenschaft und Perfektion der Spezialisten. Sorgsam wurde zunächst das passende Werkzeug ausgewählt, dann mit einem geschickten Griff die Schraube anvisiert und vorsichtig herausgedreht. Die kleine Öffnung an der Schiene des Beifahrersitzes wies eine weitere winzige Spalte auf. Der Mann griff nach der Kiste mit den Durchschlägern, prüfte die vorhandenen Bohrer und betätigte anschließend mit äußerster Präzision einen eindeutig in Heimarbeit hergestellten Schalter. Ergebnis: ein doppelter Boden, der zum Vorschein kam.
Er rief seine Kollegen, die in aller Ruhe den Hohlraum durchsuchten und ausräumten. Zwei SIG Maschinengewehre, Kaliber 5.56. Waffen, wie sie die Schweizer Armee benutzte. Auch eine Möglichkeit, das Geld der Krankenkassen zu investieren.
Der ertappte Arzt leugnete das Offensichtliche, so als habe man ihn mit seiner Geliebten nackt im Bett erwischt. Doch in der Zwischenzeit war schon längst seine Praxis und seine Wohnung unter die Lupe genommen worden. Zwischen Medikamentenproben waren Waffen und Handgranaten, Munition und Dolche aufgetaucht. Ein komplettes Waffenarsenal.
»Ich bin Waffensammler«, erklärte er schließlich. Weitere Ermittlungen würden folgen.
Die Spezialeinheit der Guardia di Finanza, die bevorzugt an Grenzübergängen zum Einsatz kam, war mit ihrer Arbeit zufrieden. Alle von ihnen verfügten über ein geschultes Auge, überdurchschnittliches Gespür und mindestens so großes Geschick wie jene, die die Verstecke bauten. Hohlräume in Airbags, Leerräume in den Wänden des Kofferraums, den Armaturenbrettern, Schließblechen, Türgriffen, Sitzen. Alles ließ sich zu Zellen zum Transport von Drogen, Geld, Wertpapieren, Gold oder Waffen umbauen.
Luca Righi griff nach seinem Handy und wählte eine Nummer: »Hallo, wir sind jetzt fertig. Dieses Mal waren es Waffen.«
Maria Dolores: »Hallo. Ich mache mir Sorgen wegen des Priesters. Seit gestern meldet er sich nicht mehr auf meine Anrufe.«
»Willst du mir noch immer nicht erzählen, was er dir gesagt hat?«
»Nein, besser nicht. Ich denke, ich werde zu ihm fahren. Vielleicht morgen.«
»Möchtest du, dass ich dich begleite?«
»Nein danke, das ist nett von dir.«
»Ich würde dich gern sehen.«
»Ich muss jetzt Schluss machen; es kommt jemand ins Zimmer. Schönen Tag noch.«
»Vergiss nicht, dass ich dich unbedingt sehen will.«
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Es war ein Infarkt gewesen. Der Rettungshubschrauber war herbeigerufen worden und hatte die Frau und ihren Mann ins Krankenhaus geflogen.
»Sie waren beide im Wald unterwegs, um nach ihrer Tochter zu suchen. Wie jeden Tag, von morgens um fünf bis zum Sonnenuntergang. Wer weiß, was sie sich davon erhofft hatten«, erklärte die Haushälterin Maria Dolores. Sie war im Augenblick die einzige Informationsquelle der Kommissarin.
»Ganz plötzlich war sie zusammengebrochen. Ihr Mann trug sie in seinen Armen bis zur nächsten Straße, lief mit ihr, so weit er konnte. Er war total erledigt. Mit seinem Handy verständigte er die Polizei, die den Krankenwagen gerufen hat. Doch als sie vor Ort waren, wurde bereits der Rettungshubschrauber benötigt. Ihr Herz spielte nicht mehr mit.«
»Wie geht es ihr
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