Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
galt für ihre Hirnverletzung, die vermutlich sogar noch eher dazu angetan war, ihre Körperfunktionen nach und nach ausfallen zu lassen.
Ich hasste dieses Geschwafel. Mein Kind hatte ein Recht auf sein Leben, und zwar ohne lange Diskussionen. Trotzdem konzentrierte ich mich auf die Aussagen. Es gab zwei Ausprägungsformen des Syndroms, und zwar eine Grundform und eine akute Variante, die katastrophal verlaufen konnte. Elle litt an der Grundform, wobei »katastrophaler Verlauf« eine äußerst emotionale Bezeichnung ist. Nach Katastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen oder Tornados gilt unsere ganze Aufmerksamkeit den Überlebenden, die man wie durch ein Wunder noch Tage später aus den Trümmern birgt. Ich war dabei, mich durch die Trümmer von Elles Leben zu wühlen, um unser, ihr, mein Kind zu retten.
»Sollte sie die akute Variante entwickeln, könnte man etwas dagegen tun?«, fragte Jake.
Die Antwort lautete, dass man sie bereits prophylaktisch behandele.
»Wie wahrscheinlich ist es, dass ein akuter Verlauf den Tod der Patientin verursacht, ehe das Baby die nötige Reife erlangt?«
»Auf APS zurückzuführende Todesfälle während der Schwangerschaft sind nicht ausreichend dokumentiert«, antwortete Clint. »Aber aufgrund ihrer Pathologie besteht ein erhöhtes Risiko zur Präeklampsie, einer Erkrankung, die mit Ödemen, Bluthochdruck und Eiweiß im Urin einhergeht und zu einem vorzeitigen Ende der Schwangerschaft führen könnte. Aber sie könnte auch Blutpfropfen in den Beinen oder der Lunge entwickeln.«
»Aber das sind lediglich Risikofaktoren?«
Clint nickte. »Ja, nur Risikofaktoren.«
»Vielen Dank. Das war alles.« Jake setzte sich und flüsterte mir zu: »Sollte der Anwalt deiner Mutter irgendwelchen Schaden anrichten – das kriege ich schon wieder hin.«
Ich nickte. Könnte ich doch bloß auch Elle wieder hinkriegen!
»Mr. Klein, haben Sie Fragen an Dr. Everest?«, forderte der Richter den Anwalt meiner Mutter auf.
»Ja, Euer Ehren.« Klein stand auf, trommelte mit zwei Stiften auf einen Stapel Papier und fragte: »Herr Doktor, während Elles letzter Schwangerschaft, die am 2. Februar endete, hatte sie Komplikationen, die auf ihr APS zurückzuführen waren. Richtig?«
Clint studierte seine Fingernägel. »Sie lag zwei Tage auf der Intensivstation, weil sie viel Blut verloren hatte, aber diese Komplikation war meines Wissens nicht direkt auf ihr APS zurückzuführen. Sie nahm Blutverdünner und bekam unerwartet vorzeitige Wehen. Der hohe Blutverlust war eine Folge der Blutverdünner.«
»Sie wäre beinahe verblutet, nicht wahr?«
Ich musste tief durchatmen. An jenem Abend hatte ich auf unserem Küchenboden mehr Blut als je zuvor außerhalb des Krankenhauses gesehen.
Jake legte mir die Hand auf die Schulter. »Alles okay?«, flüsterte er. Ich nickte und versuchte, mich auf die Verhandlung zu konzentrieren. Meine Mutter starrte mich an. Im Gegensatz zu Jake erschien sie mir alles andere als besorgt. Ihr Gesichtsausdruck wirkte eher anklagend.
»Ihr Blutverlust hätte durchaus tödlich sein können«, antwortete Clint.
Ich folgte Jake in ein Hochhaus am Alten Hafen. Die modernen Außenanlagen kontrastierten mit den Büros im Innern, die im Stil englischer Clubs gehalten waren. Auf den Regalen standen in Leder gebundene Gesetzestexte.
»Das Kreuzverhör lief nicht gerade gut«, stellte ich fest.
Jake hatte den im Kreuzverhör angerichteten Schaden nicht wieder hingekriegt. Es war mir unmöglich, still zu sitzen, während wir die vergangenen zwei Stunden durchsprachen, daher lief ich ungeduldig auf und ab.
»Es hätte schlimmer kommen können«, entgegnete er. »Hätte sie nicht inzwischen schon eine Lungenentzündung und Nierenprobleme gehabt, wäre es sicher noch besser gelaufen.«
»Bei Klein hörte es sich an, als ob Elle … Scheiße, alles, was er Clint aus der Nase gezogen hat, ist wahr. Der Unfall liegt jetzt sechsundzwanzig Tage zurück, und sie hat schon eine Lungenentzündung durchgemacht, und ihre Nieren arbeiten nicht mehr zuverlässig. Wir brauchen noch mindestens vierzehn Wochen – zwanzig wären besser. Das APS kann sie umbringen. Oder auch das Baby …«
»Warte! Mir ist klar, dass du dir Sorgen um die medizinische Prognose machst. Worauf es in diesem Rechtsstreit aber ankommt, ist die Frage, wie Elle selbst in einem solchen Fall entschieden hätte. Wir haben nicht gerade viele einschlägige Beweise, die wir einbringen können. Was wir bräuchten, wäre
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