Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
sich die Angst in mir breit. »Wo ist Elle?«
Er wartete lange, ehe er antwortete. »Ich weiß nicht, wie es Ihrer Frau geht. Sie sind hier auf der kardiologischen Intensivstation.«
In diesem Augenblick wurde mir wieder alles klar. Elle. Sie konnte nicht zu mir kommen. Sie lag auf der Intensivstation einer ganz anderen Abteilung. Aber der Teil von ihr, der am Wichtigsten war, der Teil, der mir Freundschaft entgegenbrachte, der Teil, der mir das Gefühl verliehen hatte, ein Mensch und Mann zu sein – dieser Teil existierte nicht mehr. Eine entsetzliche Einsamkeit überkam mich. Ich brauchte sie mehr denn je, aber sie war nicht mehr da.
»Ich brauche sie«, sagte ich laut. Wie ein kleiner Junge, der weint, weil er einen bestimmten Wunsch nicht erfüllt bekommt. Ich weinte. Alle Hemmungen schlugen in Unterwerfung um.
Aus der Zimmerecke hörte ich die Stimme meiner Mutter. »Ach, Matt, Liebes.« Und schon stand sie neben mir und streichelte meine infusionsgespickte Hand. »Ich weiß, dass du dich nach Elle sehnst. Ich weiß es. Aber du musst dich jetzt ausruhen.«
»Es ist so schrecklich«, sagte ich. »Elle. Oh, ich kann einfach nicht. Vielleicht sollten wir ja zusammen sterben. Vielleicht …«
»Wage es bloß nicht, jetzt aufzugeben.« Sie setzte ein strenges Gesicht auf, obwohl ich sah, wie sie zitterte.
Meine Mutter erschien mir nicht wirklicher als Elle, als ich sie im Krankenwagen gesehen hatte. Mir war, als könne sie ebenfalls jederzeit verschwinden oder zumindest mein Blickfeld verlassen. Ich fühlte mich so kraftlos, dass schon das genügen würde, damit alles um mich herum sich auflöste.
»Ich muss Elle sehen«, sagte ich.
»Ich schaue bei ihr nach dem Rechten.«
»Nein, ich will dich nicht in ihrer Nähe haben.« Meine Stimme versagte. Ich versuchte, aus dem Bett zu steigen. Das Baby! Mom durfte nicht die Einzige sein, die jetzt für Elle sprach.
»Matt, mein Liebling, hör mir zu. Ich verstehe, wie sehr du sie liebst. Wenn sie hier sein könnte, wäre sie es.«
»Alice. Die Tagebucheinträge über Alice.« Ich begann, nach Luft zu schnappen.
Mom umfasste mein Kinn, damit ich den Mund schloss undgenügend Sauerstoff einatmete. »Atmen, Schatz. Tief atmen. Alles ist gut. Ich verstehe dich. Niemand wird Elles Geräte abschalten. Niemand. Darüber wollte ich nach Blythes Aussage bei Gericht mit dir sprechen. Ich glaube, ich habe verstanden, was du mir begreiflich machen wolltest. Wie Elle bei Dylan war. Aber jetzt atme erst einmal tief durch die Kanüle. Gleich geht es dir besser, und dann können wir über alles reden. Wir beide. Wir finden heraus, was Elle gewollt hätte, und das tun wir dann gemeinsam.«
Ich stieß Moms Hände fort. Mein Hunger nach Luft wurde unerträglich.
»Sie sollten lieber gehen, Mrs. Beaulieu. Ich will nicht, dass er sich aufregt.«
»Nicht …«, versuchte ich zu rufen. Nicht fortgehen, Mom. Aber ich war noch heiser vom Intubationsschlauch, und der einzige Laut, den ich hervorbrachte, hörte sich wie ein jämmerliches Krächzen an.
Ich fühlte mich wie ein ängstlicher kleiner Junge, und mein schmerzendes Herz pochte nur eingeschränkt. Ich fürchtete mich vor dem, was meine mächtige Mutter tun würde und was sie jetzt vielleicht verstand. Ich weinte meiner Mutter nach. Sie sollte meine Hand halten, wenn ich starb. »Hilf mir. Elle. Gott. Elle.«
»Ganz ruhig, Matt«, sagte Zane. »Jetzt kümmern wir uns erst einmal um dich, dann sehen wir nach deiner Frau. Ich erkundige mich, ob jemand von der Intensivstation uns einen Zwischenbericht geben kann.« Er blickte die Schwester an, die gerade gekommen war. »Setzen Sie ihm eine Hochkonzentrationsmaske auf.«
Die Schwester nahm die Kanüle aus meiner Nase und setzte mir eine Sauerstoffmaske auf.
Mom, dachte ich, komm zurück. Sauerstoff strömte in meineLunge, und ich hörte auf, um mich zu schlagen. Meine Mutter stahl sich aus dem Zimmer. Auf Höhe des Schwesternzimmers blickte sie sich nach mir um. Ich zerrte mir die Maske vom Gesicht. »Blythe Clarke. Ich muss mit Elles Ärztin sprechen.«
»Ich kenne Blythe. Sie ist eine gute Ärztin«, sagte Zane. »Bei ihr ist Ihre Frau in den allerbesten Händen.« Er beugte sich über mich und flüsterte mir verschwörerisch zu: »Wissen Sie, ich habe gehört, dass Sie ein äußerst zielstrebiger Mensch sind. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich jetzt auf eine ganz bestimmte Sache konzentrieren. Entspannen Sie. Geben Sie mir die Möglichkeit, Ihr Herz zu reparieren.
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