Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
der Bypass gesetzt war, hatte der Arzt Probleme, mein Herz wieder zum Schlagen zu animieren.
Ob ich ein wunderbares, weißes Licht sah? Nein. Ich sah Elle. Keine Ahnung, ob es ein Traum, eine Halluzination oder nur Endorphine waren – das spielt auch keine Rolle. Früher habe ich nie an solches Zeug geglaubt, aber jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher.
Vielleicht kommt es auf den jeweiligen Glauben an. Ich habe immer an Elle geglaubt, und ich wusste jetzt, dass es eine Möglichkeit gab, mich von ihr zu verabschieden.
Als Father Meehan mich besuchte, erzählte ich ihm, dass ich Elle gesehen hatte. Er fragte mich, warum ich annähme, dass es nicht real gewesen wäre.
Weil so etwas nun einmal nicht passiert.
Er erinnerte mich daran, dass ich mir bei der Firmung den Namen Thomas gewählt hatte. Der ungläubige Thomas. Ich entgegnete, dass ich gut daran getan hätte. »Du darfst nicht vergessen, Matt, dass Thomas am Ende doch glaubte. Er war der Erste, der Jesus als ›meinen Herrn und Gott‹ bezeichnete.«
Gut, dachte ich ziemlich skeptisch, aber genau hier ging es doch um diesen sentimentalen Quatsch.
Als Dr. Zane den Verband von der reißverschlussartigen Narbe auf meinem Brustbein entfernte, bot er mir an, ihn Randall zu nennen. »Jetzt machen Sie es locker noch einmal vierzig Jahre oder hundertfünfzigtausend Kilometer – was immer zuerst kommen mag.«
»Nur hundertfünfzigtausend?«, hakte ich nach. »Die schaffe ich mit meinem Wagen in drei, vier Jahren.«
Er grinste. »Dann sollten Sie auf jeden Fall auf das Öl achten, das Sie ihrem Motor zumuten. Nur ungesättigte Fettsäuren und bloß keine Transfette.«
»Na toll, ein Komiker am Skalpell.«
»Klar doch. Bei Ihrer Herzmassage haben sich alle krumm- und schiefgelacht.«
Jetzt musste auch ich lachen und griff unwillkürlich nach meiner Narbe. »Mist, das tut weh!«
»Das ganze Team kann sich dazu gratulieren, Sie am Leben erhalten zu haben, Beaulieu.«
»Und dafür bin ich allen dankbar.«
Mein Herzinfarkt und Beinahe-Tod hatte für Schlagzeilen gesorgt. Eigentlich hätte ich inzwischen daran gewöhnt sein müssen, aber das war nicht der Fall. Einige Zeitungen berichteten, dass Elle ausgerechnet in dem Augenblick aufgewacht war, als ich das Bewusstsein wiedererlangte. Zwar stimmte das nicht ganz, aber so stand es in den Gazetten. Und Hank glaubte zunächst daran. »Ich habe ja immer gesagt, dass meine Kleine da rauskommen würde.«
Nicht wirklich. Zwar setzte ihre Atmung wieder ein, aber sie zeigte nach wie vor weder einen Würge- noch einen Koronarreflex, und sie reagierte nicht auf Schmerzstimulation. Sie befand sich ganz einfach in einem anderen Stadium ihres vegetativenZustands, ähnlich dem, in dem der Presse zufolge Terri Schiavo angeblich gelächelt haben sollte.
Elle lächelte nicht. Nicht ein einziges Mal. Weder verzog sie das Gesicht, noch schien sie Schmerzen zu haben. Trotzdem fiel es mir deutlich schwerer, sie so zu sehen, weil sie wirkte, als wäre sie bei Bewusstsein. Immer noch wünschte ich mir so sehr, dass sie endlich ein echtes Lebenszeichen von sich gäbe. Aber das galt nur für den Teil von mir, der kein Arzt war.
»Aber …«, fuhr Hank fort.
Ich schüttelte den Kopf. »Elle ist nicht mehr bei uns, Hank. Aber sie leidet nicht. Das Gute an dieser Entwicklung ist, dass die Chancen für das Baby so deutlich steigen.«
Hank wandte sich an meine Mutter. »Linney, hältst du es für möglich, dass Elle sich erholt? Immerhin hast du deine Meinung geändert.«
Mom sah ihn an und schüttelte ebenfalls den Kopf. »Ich weiß, dass Elle deine Kleine ist, Hank, aber die Antwort ist leider Nein. Wir müssen akzeptieren, dass sie tot ist. Aber dafür versuchen wir, deinen Enkel zu retten.«
»Es ist auch dein Enkel, Mom.«
»Richtig. Dieses Baby gehört uns allen.«
Zwei Tage lang durfte ich Elle über eine Webcam beobachten. Jake hatte diese Idee gehabt. Ich dankte dem Himmel für Jake. Während ich ans Krankenbett gefesselt war, hatte er in meinem Namen Einverständniserklärungen unterzeichnet und Entscheidungen in Angelegenheiten getroffen, die weit über seine Pflichten als Anwalt hinausgingen.
Als ich kräftig genug geworden war, um die Intensivstation zu verlassen, bekamen Elle und ich ein gemeinsames Zimmer. Ihr ging es inzwischen so gut, dass auch sie nicht auf der Intensivstation bleiben musste. Meine Mutter wollte wieder einmal alles besser wissen und meinte, es bedeute viel zu viel Stress fürmich, in einem
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