Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
eingeleitet wird. Er will dann im Warteraum bleiben.«
Ich spürte Ärger aufsteigen. Wäre Elle jetzt hier gewesen, hätte sie mich daran erinnert, dass Christopher sich nach Kräften bemühte, die Ängste seiner Kinderzeit zu überwinden.
»Hank war noch in einem Meeting, aber er kommt gleich«, fügte Mom hinzu.
Als wir in Elles Zimmer zurückkehrten, empfand ich Hopes vom Monitor verstärkten Herzschlag als beruhigend. Ich bemerkte nicht, wie langsam er war. Das allgemeine Durcheinander hatte mich wohl abgelenkt. Elle wurde mit einem Ambu-Beutel beatmet. Seit meiner OP hatte sie selbstständig geatmet – jetzt tat sie es nicht mehr.
»Was ist los?«, fragte ich.
Eine Schwester hängte einen Blutbeutel ein, eine andere legte einen weiteren intravenösen Zugang. »Ihr Blutdruck ist plötzlich gefallen. Wir haben uns zum Kaiserschnitt entschlossen.«
»Wie niedrig ist ihr Blutdruck denn?«
»Sechzig zu siebenundzwanzig.« Ein hämorrhagischer Schockzustand. Die Schwester, deren Namen ich nie behalten konnte, wandte sich an Mom. »Blythe macht sich gerade fertig zur OP .«
Ich drängte mich in Elles Zimmer und küsste sie auf die Stirn. Dabei fiel mir auf, dass die kleinen Einblutungen während der vierzig Minuten meiner Abwesenheit sehr viel deutlicher geworden waren. »Halt durch, Peep. Nur noch ein bisschen.«
Mom begutachtete den vom Monitor ausgespuckten Papierstreifen.
»Wie geht es dem Baby?«, fragte ich.
Sie wurde blass. »Komm, Matt, geh aus dem Weg. Elle muss so schnell wie möglich in den OP .« Sie nahm meinen Arm und zog mich in den Flur.
»Was ist mit dem Baby, Mom? Sag es mir!«
»Bradykardie. Hopes Herzschlag hat sich auf etwa sechzig verlangsamt.«
Erst in diesem Moment fiel es mir auf. Das, was ich gehört hatte, war nicht der rasche Herzschlag eines Fetus gewesen. Hopes Herz schlug langsamer als mein eigenes. Und wenn das Herz eines Babys so langsam schlägt, muss es fast mit Sicherheit reanimiert werden.
»Ich ziehe mich um. Ich gehe mit in den OP «, erklärte ich.
»Die werden dich da nicht reinlassen, Matt.«
»Oh doch, das werden sie!«
Moms Augen füllten sich mit Tränen. »Nicht so. Elle wird spätestens in ein paar Stunden sterben. Vielleicht schon früher auf dem Operationstisch.«
»Ich weiß. Aber genau deswegen will ich ja dabei sein. Ihretwegen. Und wegen Hope.«
Ich verschwand in der Umkleidekabine. Ich musste die Gewissheit haben, dass ich, auch wenn ich Elle nicht retten konnte, sie keinen Augenblick allein gelassen hatte. Kaum eine Minute später kam ich in blauer OP -Kleidung gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Elles Trage in den Operationssaal geschoben wurde. Ich sprintete hinterher und hielt nur kurz inne, um an der Tür Mundschutz, Haube und Überschuhe anzulegen. In voller Montur trat ich zur Seite, als Elle auf den Operationstisch gelegt wurde. Der Anästhesiearzt zog ihr das Krankenhaushemd aus und befestigte Kabel auf ihrer Brust, ehe ihr Körper unter sterilen Tüchern verschwand. Man schob ihr einen Schlauch in den Hals, um den Mageninhalt abzusaugen. Doch statt der goldbraunen Nährflüssigkeit kam zunächst etwas durch den Katheter, das wie altes Blut aussah. Ich sah, wie sich die Augen des Anästhesisten erschrocken weiteten, als die Farbe sich zu lebhaftem Rot wandelte. Elle war dabei, zu verbluten.
Der Herzmonitor schlug Alarm. »Sie hat eine schwere Magenblutung, und ihr Herz spielt nicht mehr mit. Mach schnell mit dem Baby, Blythe.«
»Gib ihr Lidocain gegen die Arrhythmie«, sagte Blythe.
Meine Mutter trat hinter mich.
»Willst du dir das wirklich antun, Linney?«, fragte jemand.
Mom nahm meine Hand, lehnte sich an mich und bejahte mit fester Stimme.
Das Team für die Versorgung Frühgeborener kam. Sie waren zu dritt – ein Neonatologe, eine Krankenschwester und ein Lungenspezialist. Sie kontrollierten die Ausrüstung zur Reanimation. »Wie ist der Puls des Babys?«, erkundigte sich einer der drei.
»Seit einer Minute nicht mehr messbar.«
Mein Herz begann zu rasen. Jemand schob einen Stuhl hinter mich. »Ich bringe dich lieber weg«, sagte Mom.
»Nein«, erwiderte ich und nahm den Kopf zwischen die Knie. »Nein.«
Der Operateur bestrich Elles Bauch mit Betadin, einem orangefarbenen Desinfektionsmittel, aber noch ehe die Lösung Zeit hatte, auch nur eine einzige Bakterie abzutöten, setzte Blythe bereits den Schnitt an. »Absaugen. Ihr müsst stärker absaugen«, sagte sie. Mengen von Blut strömten aus Elle heraus, als
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