Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
Verwaltungsdirektor und die Anwälte der Klinik. Die Ethikkommission soll zusammentreten. Und ich will mit jemandem reden, der für die Dokumentation aller hier behandelten Fälle zuständig ist. Und zwar jetzt sofort.«
Die Schwester wurde blass.
»Schon gut«, beschwichtigte ich sie, »ich rufe die Leute selbst an.«
Die Ethikkommission hatte erst fünf Minuten getagt, als es bereits zu heftigen Diskussionen kam. Meine Mutter knallte das zerknitterte Dokument auf den Tisch. »Der Sinn einer Patientenverfügung besteht darin, genau solche Dinge zu vermeiden.«
»Hier in Maine ist wichtig, was der Patient selbst sagt, so er dazu in der Lage ist«, erklärte der Anwalt der Klinik, ein plumper Typ mit weit abstehenden Ohren. »Der eigene Entschluss setzt alles andere außer Kraft.«
Ich zog die Krankenakten von der Geburt unseres Sohnes hervor. »Hier wurde sie gefragt, ob es eine Patientenverfügung gebe, und sie hat mit Nein geantwortet.«
»Aber sie hatte eine. Hier liegt sie.« Mom klopfte auf das Formular.
»Die ist ein halbes Leben alt«, wandte ich ein. »Damals hat sie über solche Dinge noch nicht nachgedacht.«
»Woher willst du das wissen? Zu dieser Zeit habt ihr doch nicht einmal miteinander geredet«, fauchte Mom.
Das stimmte. Als wir aufs College gingen, gab es eine Zeit, in der wir nicht miteinander sprachen. »Sie hat ihre Meinung geändert. Sowohl was mich angeht als auch hinsichtlich vieler anderer Dinge. Es ist siebzehn Jahre her!«, schrie ich sie an.
Der Verwaltungsdirektor stand auf. »Stopp! Die Klinik übernimmt keine Verantwortung für diese Entscheidung. Nicht, wenn sie strittig ist. Ich weiß auch nicht, was das Gesetz in einem solchen Fall vorsieht.«
»Es geht jedenfalls nicht darum, was die Familie will oder nicht will«, erklärte der Anwalt. »Wichtig ist, was der Patient wünscht. Davon gehen wir zunächst einmal aus. Bedenklich finde ich, dass zwei Dokumente existieren, die im Widerspruch zueinander stehen.«
Der Verwaltungsdirektor holte tief Luft. »Dann muss eben ein Richter entscheiden«, erklärte er schließlich. »Wir brauchen eine gerichtliche Anordnung.«
5
Tag 2
I ch kramte eine Visitenkarte hervor. Jake Sutter, Rechtsanwalt. Vergangenes Jahr im Frühling war ich mit Elle im Kino gewesen und hatte Jake dort zufällig wiedergetroffen. Er gab mir seine Karte und sagte: »Ruf doch einfach irgendwann an. Wir sollten uns wieder mal auf einen Drink treffen.« Ich hatte die Karte völlig vergessen, bis ich gestern in meiner Brieftasche nach den Versicherungsunterlagen suchte.
Als ich seiner Sekretärin erklärte, dass wir in Studentenzeiten zusammen gewohnt hatten, bekam ich einen Termin innerhalb einer Woche. Als ich jedoch hinzufügte, dass ich Elles Ehemann bin, wurde ich sofort durchgestellt.
»Matt? Heilige Scheiße, ich habe gehört, was passiert ist. Wie geht es ihr?«
»Nicht gut.« Ich berichtete. Erst nach fünf Minuten holte ich wieder Luft. »Keine Ahnung, wie ich diese Sache angehen soll. Vom rechtlichen Standpunkt, meine ich.«
Er schwieg einen Moment, ehe er antwortete. »Ich weiß, was du tun musst. Aber zunächst muss ich dir sagen, wie leid es mir um Elle tut. Yvette wollte schon gestern, dass ich dich anrufe, aber ich dachte, dass du vielleicht in der Klinik bist. Du warst die ganze Zeit bei ihr, nicht wahr?«
»Ja, bis auf das Treffen mit der Ethikkommission.«
»Was der Klinikanwalt gesagt hat, stimmt im Großen und Ganzen. Ein Richter muss darüber entscheiden, was Elle unter den gegebenen Umständen gewollt hätte. Das kann ziemlichknifflig werden, aber ich habe schon eine Idee. Wann kannst du in meine Kanzlei kommen? Ich verlege meine anderen Termine.« Jake war immer schon der Ansicht gewesen, alles zu wissen, aber dieses Mal hoffte ich inständig, dass er recht behielt.
»Ich möchte hier nicht weg. Könntest du nicht herkommen?«
»Hm …« Er schluckte. »Im Krankenhaus sind solche Dinge nicht ganz einfach zu klären.«
Mist, ich hatte ganz vergessen, dass er Kliniken hasste wie die Pest. Aber ich hatte keine Zeit, mich mit seinen Medizinphobien herumzuschlagen.
Jake und ich waren als Erstsemester im gleichen Zimmer eines Studentenwohnheims gelandet, weil man offenbar der Meinung war, die gleiche geografische Herkunft sorge für Gemeinsamkeiten. Aber außer unserer Heimat hatten wir nicht viele Berührungspunkte. Jake war in einem Nobelviertel aufgewachsen und Sohn eines früheren Gouverneurs von Maine, mein Vater war Arbeiter.
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