Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
»Keineswegs. Du hast in dieser Hinsicht nicht das geringste Problem. Wie man unschwer erkennen kann. Lass es mich mit einem Gegenbeispiel versuchen, mit einem Fall, der uns eher betrifft. Wenn eine Frau kein Baby austragen kann, was meiner Ansicht nach mindestens ebenso peinlich ist wie Impotenz für einen Mann, was würde sie tun? Was habe ich getan? Ich habe eine andere Frau gesucht, die das Gleiche durchgemacht hat, und wir hecheln das Problem gemeinsam durch. Männer können das nicht. Dazu sind sie nicht selbstsicher genug.«
»Anders ausgedrückt, ihr gluckt. Ihr bemuttert euch gegenseitig. Genau wie ich gesagt habe. Eigentlich sind wir immer einer Meinung – ist dir das schon einmal aufgefallen?«
Sie bewarf mich mit einem Kopfkissen.
Die andere Frau, die Elle gesucht hatte, hieß Keisha Sudani. Beide hatten unter einigem anderen gemeinsam, dass ihnen Kinder verwehrt blieben. Keisha wurde gar nicht erst schwanger, Elle konnte ihre Babys nicht austragen. Beide waren Dozenten in Bowdoin, wo Elle Physik und Astronomie, Keisha hingegen praktische Philosophie mit Schwerpunkt Frauenfragen lehrte. Elle verbrachte jede freie Minute an der frischen Luft, joggte, schwamm oder arbeitete im Garten. Hätte man Keisha dazu bewegen wollen, ihre Hände mit Erde zu beschmutzen, hätte man ihr weismachen müssen, dass man auf diese Weise ein Baby empfangen könne. Sie hatte schon alles durchprobiert, von der künstlichen Befruchtung über Kräutermedizinen und Akupunktur bis hin zu Naturheilverfahren im Südpazifik. Sie litt unter einer dieser unerklärlichen Fruchtbarkeitsstörungen. Keishas Ehe wäre perfekt gewesen, wenn sie und ihr Mann ein Kind bekommen hätten. Genau wie bei Elle und mir.
20
Tag 7
K eisha hatte die vergangenen Monate in Neuseeland verbracht und kam direkt vom Flughafen ins Krankenhaus. Ihre schwarzen Augen füllten sich mit Tränen, als sie Elles rasierten Kopf streichelte. »Ach, liebste Freundin, was haben sie dir angetan?«, flüsterte sie mit ihrem weichen Akzent, ehe sie mich ansah und fragte: »Wie geht es dem Baby, Matthew? Und wie geht es dir?«
»Ich halte mich tapfer. Und mit der …« Beinahe hätte ich Schwangerschaft gesagt, korrigierte mich aber sofort: »… mit dem Baby ist alles in Ordnung.« Aber im Grunde war es das, was ich dachte. Schwangerschaft. Elle war schwanger.
»Wenn du irgendetwas brauchst, bin ich ganz für dich da«, sagte Keisha.
»Könntest du aussagen, dass Elle gewollt hätte, dass das Baby lebt?«
»Oh, nein, sie hätte es nicht gewollt. Sie hätte darauf bestanden. Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie deine Mutter auch nur darüber nachdenken kann, die lebenserhaltenden Maßnahmen zu unterbrechen. Doch nicht, wenn in ihr drin ein Baby wächst!«
Wieder musste ich daran denken, wie Elle meine Hand nahm, um erst Selinas und später Dylans Bewegungen zu spüren. Indem sie es tat, verband sie mich mit dem Baby in ihr. Gleichzeitig fiel mir auf, dass ich ohne Elle vielleicht keine Bindung an das Kind entwickeln könnte. Trotzdem würde iches allein aufziehen müssen. So weit voraus hatte ich noch nie gedacht.
»Alles in Ordnung, Matthew?«
»Ja, schon«, antwortete ich. »Sag mal, würde es dir etwas ausmachen, ihre Sachen im Büro in Bowdoin zusammenzupacken? Und wenn du etwas findest, das uns einen Hinweis darauf geben könnte, was sie in dieser Situation getan hätte …«
»Ich halte die Augen offen.« Sie wandte sich wieder Elle zu. »Es bricht mir das Herz.« Sie bückte sich und küsste Elle auf die Stirn. »Ich liebe dich, meine süße Freundin.«
Ich hatte zwei Verbündete: Hank und Keisha. Leider war die Zahl meiner Gegner höher. Christopher und seine Frau Arianne, eine schüchterne Blondine, betraten das Krankenzimmer, blieben vier, höchstens fünf Minuten und verschwanden wieder. Meine drei Brüder erschienen manchmal einzeln, manchmal im Pulk und setzten alles daran, mich an Alice McClures langsamen Todeskampf zu erinnern. Doug war gleich nach der Schulzeit nach Vermont gezogen, und weil er der Älteste und ich der Jüngste war, hatten wir uns nie wirklich nahgestanden. Er legte mir den Arm um die Schulter. »Es ist vorbei, Matt. Lass sie gehen. Es gibt keine Perspektive.«
»Die gibt es sehr wohl«, widersprach ich. »Elle ist schwanger.«
Keith probierte es auf andere Weise. Er hielt mir vor, wie schuldig ich mich fühlen müsste, dass ich Mom trotzte. Trotzte? Als ob ich noch ein über die Stränge schlagender Teenager
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