Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
und für das Baby. Aber dafür möchte ich Sie um etwas bitten.«
»Was immer Sie wollen.« Ich hätte sogar einen Pakt mit dem Teufel geschlossen.
»Wenn das Baby da ist, möchte ich, dass Sie wieder zur Kirche gehen. Kommen Sie auch, wenn Sie zunächst nichts mit dem Glauben anfangen können. Seien Sie einfach nur offen für alles. Lassen Sie das Baby taufen. Verpflichten Sie sich, das Kind im Glauben zu erziehen. Verstehen Sie, Sie sollen auch dem Kleinen eine Chance geben.«
Alles in allem war es ein kleines Zugeständnis, aber wer hätte gedacht, dass die Phase des Feilschens in meiner Trauer so konkret ablaufen würde. »In die Kirche? Kein Problem.«
Father Meehan hob die Hand und machte ein Kreuzzeichen. »Nächsten Sonntag. Das wäre ein guter Anfang.«
21
Tag 8
D er Schichtwechsel bringt immer Unruhe mit sich. Die Krankenschwestern vergessen gern einmal, ihre Stimmen zu dämpfen, und benehmen sich wie in einem normalen Büro. Man meckert ein bisschen über die Arbeit, die vor einem liegt, ehe es schließlich richtig losgeht. Die Nachtschwester traf sich mit der Schwester von der Tagschicht an Elles Bett und berichtete, während ihre Kollegin Infusionen, Fieberkurve, Schläuche und Monitore kontrollierte. Ich rappelte mich steif aus dem Lehnstuhl auf und ging in den Bereitschaftsraum. Zum Personal zu gehören hatte durchaus Vorteile, zum Beispiel dass ich duschen und mich rasieren konnte, ohne das Haus zu verlassen.
Als ich zurückkehrte, saß meine Mutter auf meinem Platz und stützte den Kopf in die Hände. Ich warf einen hastigen Blick auf die Herz-Lungen-Maschine, aber alles war in Ordnung. Ich atmete auf und wartete darauf, dass Mom aufblickte.
Aber das tat sie nicht. Erst eine Minute später wurde mir bewusst, dass meine Mutter immer schon auf diese Art geweint hatte – geräuschlos und fast ohne Bewegung.
»Bist du okay?«, fragte ich trotz meiner Wut, Verbitterung und Empörung. Die Liste hätte ich beliebig fortsetzen können.
Sie erschrak, wischte sich hastig die Augen und nickte. Sie trug einen Laborkittel, und ihr Haar war zu einem weichen Knoten zusammengebunden. »Ich hasse das alles hier.« Sie wies auf Elle. »Sie dürfte nicht so daliegen. Elle! Ach, Elle.« Sie wiederholte ihren Namen wie einen Choral.
Ein Teil von mir hätte Mom am liebsten sofort hinausgeworfen, aber ein anderer Teil wollte sie in den Arm nehmen und endlich der Trauer und dem Entsetzen freien Lauf lassen, die sich hinter dem Panzer meiner Zurückhaltung aufgestaut hatten. »Nein«, sagte ich. »Sie dürfte nicht so daliegen. Aber sie tut es. Weil noch ein anderes Leben davon abhängt.«
»Das meine ich nicht. Am liebsten würde ich die Zeit einen Monat zurückdrehen. Ich wünschte so sehr, sie wäre wieder gesund.«
»Endlich einmal etwas, worin ich dir voll und ganz zustimmen kann.« Ich spürte, wie meine Entschlossenheit zerbröselte. »Arbeitest du heute?«
Sie nickte. »Ich versuche es zumindest, allerdings …«
»Jetzt versuch nicht, mir weiszumachen, du wärest hergeschickt worden, um den kindlichen Herzschlag zu überprüfen.«
Mom sah mich müde an. »Eine Patientin hat mein Namensschild gelesen und mich gefragt, ob ich etwas mit der Astronautin zu tun hätte. Als ich es bestätigte, warf sie mich hinaus. Mit einer Babymörderin wollte sie nichts zu tun haben. Eine Babymörderin! Ich! Ich hatte schon viele verrückte Patientinnen. Eine Sechzehnjährige rastete einmal aus, als ich ihr sagte, sie solle pressen. Sie packte mich so fest an der Kehle, dass man die Fingerabdrücke noch tagelang sah, aber noch nie hat mich jemand so etwas Schreckliches wie Babymörderin genannt.«
»Warum bist du hier, Mom? Soll ich dir bestätigen, dass du eine Heilige bist? Darauf kannst du lange warten. Und was Elle angeht, so bist du im Unrecht.«
Mom blickte mich nicht an. Sie streichelte Elles Unterarm. »Nein, ich bin im Recht. So wollte sie nicht sterben.« Sie beugte sich vor und küsste Elle auf die Stirn. »Als Alice im Sterben lag, habe ich nichts unternommen. Ich habe mich weder gegen Hank durchgesetzt noch den Onkologen Dampf gemacht oderdie Leute von der Pflege-Organisation zu überreden versucht. Ich habe den Mund gehalten, wie es sich für eine brave, kleine Krankenschwester gehört. Damals, als Schwestern noch zu schweigen hatten und wir uns nicht behaupten durften. Als wir in Gesundheitsfragen noch nicht mitreden durften. Ich gehörte noch zur alten Schule, wie die Jungen es heute nennen. Und
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