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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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sonderlich. Anscheinend hatte ich einen Kompro-
    miß geschlossen, hatte sich eine Art seelisches Gleichgewicht
    zwischen Jupp und Salomon eingestellt und war zu einer
    neuen Persönlichkeit zusammengewachsen, die den äußeren
    Herausforderungen und den inneren Konflikten gegenüber
    unempfindlich blieb. Ich versuchte, mir lieber erst gar nicht
    die Tragweite des Madagaskar-Dekrets vorzustellen. Ich hatte
    das Gefühl, dies ginge mich nichts an, und brachte es nicht
    mit meiner Person in Verbindung. Ich konnte und wollte mir
    nicht vorstellen, daß meine Eltern dann zu der Gruppe der
    Ausgewiesenen gehören würden.
    Die Geheimnisse einer zerstörten Seele sind bisweilen
    grausam unergründlich. So glaubte ich unerschütterlich wei-
    ter an meinen persönlichen Schutzengel, der mein Schicksal
    bestimmte. Nicht ein einziges Mal unternahm ich den Ver-
    such, mich eines Besseren zu besinnen oder mich gegen ihn
    aufzulehnen. Er war für mich kein Gott irgendeiner Religion,
    er war mein persönlicher Gott, mein Privatgott, an den ich
    glaubte. Keineswegs wollte ich gegen etwas aufbegehren, was
    mir diese höhere Macht vorschrieb.
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    Eine monatlich erscheinende, prächtig aufgemachte Hitler-
    jugend-Illustrierte, Die Fanfare , erregte meine Aufmerksamkeit,
    und ich begann zu blättern. Es war die Zeitschrift des örtlichen
    Banns 468. Zwischen Meldungen über das Schulorchester und
    die Werkstätten wurden die Zöglinge aufgefordert, den Front-
    soldaten Briefe zu schreiben, sie moralisch zu unterstützen, sie
    der Liebe des Vaterlands und des Vertrauens auf den Endsieg
    zu versichern. Das ließ mich den Vorsatz fassen, bald meiner
    alten Einheit und Hauptmann von Münchow zu schreiben.
    Ich wollte Nachricht von ihnen erhalten, erfahren, wer auf
    dem Schlachtfeld gefallen sei.
    Es war mir ein besonderes Bedürfnis, auf irgendeine Weise
    mit diesen Männern, die ja eigentlich meine Todfeinde hätten
    sein müssen, in Verbindung zu bleiben; uns hatten die Fäden
    eines gemeinsamen Schicksals zusammengehalten. Ihre ständi-
    ge Sorge um mein Wohlergehen und die Gefahr, gemeinsam
    und auf ewig in fremder Erde zu ruhen, verbanden mich mit
    ihnen. Vor allem aber hatte sich Salomon inzwischen in Josef,
    den Hitlerjungen, verwandelt … Ich erinnere mich noch, wie
    sie sich bemüht hatten, ein Mittel gegen meine quälenden
    Knieschmerzen aufzutreiben. Weder Heinz’ Schmerztabletten
    noch die anderen Arzneien hatten gewirkt. Aber ein einfacher
    Soldat heilte mein Leiden schließlich.
    Er hatte mehrere Birkenzweige eingeschnitten und den dik-
    ken Saft aufgefangen. Ich hatte mir mit diesem Harz mehrmals
    die Knie eingerieben, und die Schmerzen verschwanden wie
    durch ein Wunder, als hätten sie nie existiert. Ich bin nicht
    sicher, ob das »Birkenwasser« die Heilung herbeigeführt hat, es
    war aber tröstlich, festzustel en, daß sich ein völ ig unbeteiligter
    Mensch um das Schicksal eines verlassenen Jungen scherte.
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    Da ich in ständiger Lebensgefahr schwebte, waren diese
    kleinen Aufmerksamkeiten wie Sonnenstrahlen in den tiefen
    Abgrund gefallen, der uns trennte. Ich haßte dieses Regime
    und lehnte es völlig ab, bewahrte diesen Männer aber meine
    Zuneigung. Diesseits meiner inbrünstigen Gebete um ihre
    prompte Niederlage und um die Rettung meiner Familie und
    meiner Religionsbrüder empfand ich eine Art merkwürdiger
    Anhänglichkeit für jene, die fallen zu sehen mein sehnlichster
    Wunsch war: sicherlich unbegreiflich für jemanden, der eine
    ausschließlich eindimensionale Sicht der Dinge hat.
    Als ich wieder in mein Zimmer zurückkam, lag Gerhard
    bereits mit einem Buch im Bett. Wenige Minuten später tat
    ich desgleichen. Ich atmete tief ein und aus. Ich weiß nicht,
    was mich veranlaßte, Gerhard die Höflichkeitsfrage zu stel en:
    »Woher kommst du?« – »Ich bin ganz aus der Nähe, aus Peine.«
    Seine Antwort überraschte mich derart, daß ich aus dem Bett
    springen und entzückt ausrufen wol te: »Welch unglaublicher
    Zufall! Ich komme auch aus Peine!« Damit hätte ich das ganze
    zerbrechliche Lügengebäude und meine Überlebenshoffnung
    zerstört, mich selbst zum Tode verurteilt. Ich wußte, daß ich
    verloren gewesen wäre, hätte ich mich nur ein einziges Mal
    versprochen, und daß mir jede spontane Äußerung verboten
    war. So bezwang ich mich, spielte den Unwissenden und fragte:
    »Wo liegt Peine?« Sehr höflich erklärte er mir: »Oh, nicht weit
    von hier, etwa zwanzig Kilometer von Braunschweig

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